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Fokus: Rage & Horror

Unser diesjähriger Fokus schafft Raum für wütende weibliche Stimmen und Visionen, ob monströs, heroisch oder in einer chaotischen Kombination aus beidem. Brutal, übernatürlich mächtig, aktivistisch, witzig, hemmungslos, solidarisch: Von 1899 bis heute suchen wir in der Filmgeschichte nach Frauen, die ihrem Zorn Ausdruck verleihen, ohne sich einzuschränken. Das mündet nicht etwa in sinnloser Gewalt, sondern in einer künstlerisch zu Ende gedachten Entgrenzung, der das Potenzial zu Selbstermächtigung und Wandel innewohnt. Es darf gebrüllt und geschrien werden; eine angemessene Reaktion angesichts der Tabuisierung der wütenden Frau auf der Leinwand – und der kritischen Lage weltweit. Hier ein Ausblick auf die Filmauswahl. Das komplette Programm der Sektion finden Sie hier.

Der Spielfilm Tiger Stripes von Amanda Nell Eu ist ein Body-Horrortrip durch den malaysischen Dschungel. Die erste Menstruation der 12jährigen Zaffan führt zu Mobbing und Ausgrenzung, aber in einer monströsen Verwandlung fährt das resolute Mädchen sprichwörtlich ihre Krallen aus. Der US-amerikanische Low-Budget-Horrorfilm Hellbender ist ein unterhaltsames Beispiel für die künstlerischen Freiheiten, die im DIY stecken. Die Adams-Familie – Toby Poser, John Adams und Zelda Adams – steckt hinter zahlreichen Produktionen, die in eingeschworenen Fan-Kreisen legendär sind. Ihre Horror-Coming-of-Age-Story ist purer Hexen-Rock ’n’ Roll . Die US-amerikanische Regisseurin Jennifer Reeder stellt ihren gefeierten Horror-Coming-of-Age-Film Perpetrator vor und ist außerdem Mitglied der Jury des Internationalen Debüt-Spielfilmwettbewerbs. Der brasilianische Spielfilm Dry Ground Burning (Mato seco em chamas) von Joana Pimenta, Adirley Queirós erzählt die Geschichte einer Frauen-Gang, die Öl raffiniert und illegal verkauft. Sie reklamieren die Straßen für sich und leisten radikalen politischen Widerstand. Dieses elektrisierende, dystopische Porträt der brasilianischen Gesellschaft zeigt das Festival in Kooperation mit der KHM Kunsthochschule für Medien Köln. Im wenig bekannten tschechischen Spielfilm Die Wolfsbaude aus dem Jahr 1986 seziert Věra Chytilová vor dem Hintergrund eines aus dem Ruder laufenden Skiausflugs mit skurrilem Humor den Horror von Unterdrückung und Manipulation in autoritären Systemen. Mit ganz anderen Mitteln analysiert der gefeierte Footagefilm Hello Dankness von Sodajerk das zersetzende Phänomen Donald Trump. Aus Hunderten popkultureller Clips werden die Jahre seiner Präsidentschaft zum Vorstadt-Musical gemergt. Ein psychotropes Horror-Spektakel – im Jahr 2024 leider beunruhigend aktuell. Das gilt auch für den Dokumentarfilm-Klassiker Black Panthers (FR/USA 1968) von Agnès Varda, der zusammen mit A Place of Rage (GB 1991) von Pratibha Parmar läuft. Die Filme dokumentieren und analysieren die (feministischen) Proteste der US-amerikanischen BlackPower Bewegung. Und die Aktualität gilt nicht zuletzt auch für 9 to 5, die Kultkomödie der 1980er Jahre mit Jane Fonda, Lily Tomlin und Dolly Parton im Kampf für ein besseres und sexismusfreies Arbeitsumfeld.

Rage & Horror avant la lettre: Ein Kurzfilmprogramm zeigt wütende Stummfilm-Pionier*innen in Revenge-Filmen aus den ersten Jahren der Filmgeschichte. Sie nutzen die damals sensationellen neuen Möglichkeiten des Kinos und zeigen ungeschminkt das befreiende Potenzial weiblicher Wut. #metoo aus den Jahren 1899ff mit Musikbegleitung von Gunda Gottschalk (Violine) und Mariá Portugal (Schlagzeug).

»The Devil Inside« – Die lange Filmnacht
Dieses beliebte Festivalformat wird ein wilder Parcours durch die Filmgeschichte widerständiger Akteur*innen und Filmemacher*innen, die vorherrschende Verhältnisse auf den Kopf stellen und sich von auferlegten Fesseln befreien. Rund 20 Kurzfilme und Musikvideos mit Arbeiten u.a. von Kurdwin Ayub, Pipilotti Rist, Jennifer Reeder sowie der Lecture Performance Let Iranian Vampires Suck your Blood von Negar Tahsili.

Workshop und Panel-Diskussion
Im Fokus laden wir zum praktischen Selbstverteidigungskurs »Pretty Deadly Self Defense« gegen Zombies und Slasher ein. Anhand von Clips aus klassischen Horror-filmen lernen die Teilnehmer*innen unter Leitung von Susie Kahlich, mit welchem Moves sie sich erfolgreich gegen Angreifer*innen wehren könnten. Gegen Ende des Festivals werden bei einem offenen Panel noch einmal Rage & Horror als feministische Strategien diskutiert. Gesprächpartner*innen sind die Regisseur*innen Jennifer Reeder, Nancy Mac Granaky-Quaye, die Kuratorin Sara Neidorf und weitere Gäste des Festivals.

Für das Programm des Fokus ist Betty Schiel verantwortlich – in Kollaboration mit Sara Neidorf (Final Girl Festival Berlin).