Internationaler Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen

Internationaler Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen

»Die Arbeit, die wir machen, hat Auswirkungen darauf, wie wir uns selbst wahrnehmen und wie wir wahrgenommen werden. Wenn Frauen Filme machen, ist das ein radikaler Akt. Radikale Menschen fragen nicht um Erlaubnis, sie greifen einfach zu.«
– AVA DUVERNAY, »SELMA«

Besser als die US-amerikanische Filmemacherin Ava DuVernay (Selma) könnte man die Regisseurinnen des diesjährigen Wettbewerbs kaum beschreiben. Sie alle blicken auf ein jahre- oder jahrzehntelanges filmisches Schaffen und Werk. Das allein ist eine immense Leistung angesichts der Tatsache, dass der Anteil von Regisseurinnen langer Kinospielfilme weltweit nach wie vor kaum die 10%-Hürde übersteigt.

Die Regisseurinnen des Wettbewerbs 2015 jedoch haben sich durchgesetzt, viele von ihnen sind regelmäßig bei den großen internationalen Filmfestivals vertreten. Und es zeigt sich – wenn die Regisseurinnen die Hürde der Auswahlkommissionen genommen haben, ist ihr Erfolg überproportional hoch. Małgorzata Szumowska – eine von nur drei Regisseurinnen der 23 Filme im Berlinale-Wettbewerb 2015 – gewann mit Body den Silbernen Bären. Mariana Rondón räumte mit Pelo Malo in San Sebastian ab. Dort waren 2013 zwei Regisseurinnen im Wettbewerb (die zweite war Jasmila Žbanić). Naomi Kawase gehört zu den ganz wenigen Regisseurinnen, die regelmäßig an der Croisette gefeiert werden. Dafür wurde sie vom  französischen Kulturministerium 2015 sogar mit dem angesehenen Orden der Künste und der Literatur ausgezeichnet. Diese Erfolge haben zuvorderst mit der Qualität der Filme zu tun, die auch darin besteht, dass andere Geschichten erzählt werden, die die Zuschauer_innen mit überraschenden Perspektiven, Charakteren, Entwicklungen und Haltungen konfrontieren.

Die Filme im Wettbewerb verblüffen. Mijke de Jong hat den Mut, das Sterben ihrer Freundin, der Schauspielerin Leonoor Pauw, filmisch zu begleiten und gleichzeitig als Ausgangspunkt der fiktionalen Erzählung Frailer zu nutzen,  die von Freundschaft und ihren Grenzen angesichts des Todes erzählt. In Love Island von Jasmila Žbanić spürt man geradezu die Lust am Genre. Sie überrascht nach vielen Filmen zur Aufarbeitung der Traumata des Balkankriegs mit dieser Screwball-Sommerkomödie. Die ist für sie ebenfalls politisch begründet, um den Menschen zu zeigen, dass das Leben in der Balkan-Region nicht nur kaputt ist und sie sich nach all den Jahren erlauben sollten, glücklich zu sein. Auch Małgorzata Szumowska nutzt Komödienelemente, dabei  sprengt Body alle Genregrenzen, wenn die Geschichte
einer essgestörten jungen Frau als schwarze Komödie erzählt
wird.
Der RWE Filmpreis will genau jene Regisseurinnen präsentieren, die radikal genug sind, sich ihren Teil vom Kuchen zu nehmen und die Konventionen des Filmemachens herauszufordern. Das Preisgeld von 15.000 Euro geht dabei zu zwei Dritteln an den deutschen Filmverleih, um die Kinoauswertung des Films in Deutschland zu fördern. Denn die Filme der Regisseurinnen müssen in die Kinos kommen und gesehen werden, damit sich an den Zahlen nachhaltig etwas ändert. Darüber entscheidet nicht zuletzt jede_r Zuschauer_in mit dem Eintrittsgeld an der Kinokasse.
_Stefanie Görtz

Preisträgerinnen
2021: Jasmila Žbanić mit Quo Vadis, Aida? (BA/AT/RO/DE/NL/PL/FR/NO 2020)
2019: Teona Strugar Mitevska mit God Exists, Her Name Is Petrunya (MK/BE/SI/HR/FR 2019)
2017: Delphine und Muriel Coulin mit Voir Du Pays (FR 2016)
2015: Naomi Kawase mit Still The Water (JP/ES/FR 2014)
2013: Małgorzata Szumowska mit In The Name Of… (PL 2012)
2011: Athina Rachel Tsangari mit Attenberg (GR 2010)
2009: Maren Ade mit Alle Anderen (DE 2009)
2007: Andrea Arnold mit Red Road (UK 2006)
2005: Keren Yedaya mit Or (My Treasure) (IL 2004)

Jury

Amal Ramsis

Amal Ramsis, geboren 1972 in Kairo, ist ägyptische Filmemacherin. Während ihres Jurastudiums gründete sie das Women‘s Study Center „Ma‘an“ (Gemeinsam). Von 2002 – 2005 studierte sie in Madrid Filmregie. Drei Jahre später gründete Ramsis das Cairo International Women’s Film Festival, das erste Frauenfilmfestival in den arabischen Ländern. Sie arbeitet als Dokumentarfilmregisseurin und Publizistin, und schreibt über die Situation arabischer Frauen und die politische Lage in Ägypten. Ihre Filme Only Dreams (2005), Life (2008) und Forbidden (2011) wurden weltweit auf renommierten Festivals gezeigt und mehrfach ausgezeichnet. In ihrem aktuellen Dokumentarfilm The Trace of the Butterfly (2014) begleitet Ramsis Mary Daniel, die Schwester des 2011 getöteten Studenten Mina Daniel – Hoffnungsträger seiner Generation – auf einer Reise durch Äygptens Revolution.


Filme von Amal Ramsis (Auswahl)
Life 2008 | Just Dreams 2005 | Plató 2005 | Silence 2005 | Beirut Is on the Seaside 2002

Kate Kinninmont

Kate Kinninmont ist seit fast 30 Jahren als TV-Produzentin und Regisseurin tätig, vielfach ausgezeichnet und Geschäftsführerin von WFTV Women in Film and Television in Großbritannien. WFTV hat mehr als 1400 Mitglieder und ist Europas rangälteste Organisation, die sich der Förderung von Frauen in der Filmbranche verschrieben hat. Kinninmont ist Mitglied von BAFTA (British Academy of Film and Television), der Royal Television Society, Women in Journalism, Directors UK, und der Royal Society of Arts. 2014 wurde sie von der britischen Königin als MBE (Member of the Order of the British Empire) ausgezeichnet. Sie erhielt diesen Preis für ihre Leistungen für Frauen in der Film- und Fernsehindustrie. Kate Kinninmont hält die Keynote bei der Diskussion »Frauen in Männerdomänen – Brauchen wir die Quote?«, die die RWE Vertrieb AG gemeinsam mit dem Frauenfilmfestival veranstaltet.

Lena Stolze

Lena Stolze, geboren in Ost-Berlin, aufgewachsen in Wien. Nach der Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar debütiere sie an der Volksbühne Berlin. Es folgten Engagements im Ensemble des Wiener Burgtheaters, am Münchner Residenztheater und am Hamburger Thalia Theater. Sie arbeitete am Schauspiel Frankfurt, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und bei den Salzburger Festspielen. 1982 wurde Lena Stolze mit der Rolle der Sophie Scholl in Die weiße Rose von Michael Verhoeven bekannt und spielte dieselbe Figur in Percy Adlons Fünf letzte Tage. Für beide Filme erhielt sie einen Bundesfilmpreis. Ein weiterer Erfolg war Stolzes komödiantische Interpretation der Passauerin Sonja in Verhoevens Oscar-nominiertem Film Das schreckliche Mädchen. Sie spielte in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen und ist Jurorin der Filmakademie und des Europäischen Filmpreises. Lena Stolze ist Mutter von drei Kindern.

Bad Hair

Mariana Rondón

VE / PE / AR / DE
2013
Spielfilm
93’

»Ich will unseren Film einfach nicht in ein politisches Schema gepresst sehen, in dem man ihn dann nicht als filmkünstlerisches […]

Body

Małgorzata Szumowska

PL
2014
Spielfilm
90’

»Der Körper kann uns schreckliche Grenzen aufzwingen, und er kann zur Obsession werden. All unsere Absichten und Ziele können mit […]

Eden

Mia Hansen-Løve

FR
2014
Spielfilm
113’

Eden ist ein bewegender Trip in das pulsierende Paris der frühen 90er. Während in den Clubs der Rave dominiert, erfindet […]

Frailer

Mijke de Jong

NL
2014
Dokumentarfilm, Spielfilm
80’

Was heißt es, gut zu sterben? Was bedeutet Freundschaft im Angesicht des Todes? Muis erfährt, dass sie Lungenkrebs im Endstadium […]

Love Island

Jasmila Žbanić

HR / BA
2014
Spielfilm
86’

»Wir Leute vom Balkan neigen dazu, unsere Vergangenheit zu ernst zu nehmen, und wir erleben sie auf eine mythologische Weise. […]

Red Rose

Sepideh Farsi

FR / GR / IR
2014
Spielfilm
87’

»Es war mir sehr wichtig, einen Film ohne Kompromisse zu machen. Einen Film, pur bis ins Innerste, in jeglicher Hinsicht. […]

She

Libia Stella Gómez

CO
2015
Spielfilm
104’

»Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod in dieser Geschichte macht wie in einem Spiegel die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben sichtbar; eine […]

Still the Water

Naomi Kawase

ES / FR / JP
2014
Spielfilm
118’
OmU

»Ich wünsche mir, dass Zuschauern des Films klar wird, dass wir Menschen nicht der Nabel der Welt sind. Wir sind […]