Der neueste Stern vom Varieté
Dr. R. Portegg (Rosa Porten, Franz Eckstein)
Stella Orlanda ist eine junge Varieté-Artistin, die nicht nur auf der Bühne ihren Mann steht. Dort nimmt sie es als […]
Der neueste Stern vom Varieté – Rosa Porten alias Dr R. Portegg
Rosa Porten wird in der Filmgeschichte gelegentlich als die ältere Schwester des Stummfilmstars Henny Porten erwähnt. Dass sie auch selbst eine vielseitige Laufbahn im deutschen Stummfilm schaffte, ist jüngste Erkenntnis. Von 1906 bis Mitte der Zwanziger war sie als Darstellerin, Drehbuchautorin und Regisseurin tätig. Recherchen in Archiven verweisen auf über vierzig Stummfilme, an denen sie mitgewirkt hat, vielfach in mehreren Funktionen. Durch Wandas Trick kam ich der Identität von Dr. R. Portegg auf die Spur. Diese Wanda wird von der Treumann mit dermaßen heiterer Würze und gescheitem Witz dargestellt, dass ich neugierig wurde, wer der mysteriöse Regisseur wohl gewesen sein könnte. Auch die fast emanzipiert-weibliche Erzählperspektive einer einfachen Zigarettenmacherin besticht. Die Antwort fand sich auf der DIF-Website (jetzt f-film), wo Gerlinde Waz und Gabriele Hansch veröffentlichten, dass Dr. R. Portegg ein Pseudonym war von Rosa Porten und ihrem Ehemann Dr. Franz Eckstein.
Aus Portens umfangreicher Filmographie sind heute nur noch wenige Filme erhalten: Ein Drama und fünf Komödien mit Wanda Treumann, Rosa Porten oder den Porten-Schwestern als Hauptdarstellerinnen, sowie zwei Tonbilder der Geschwister Porten, die von ihrem Vater, Franz Porten, gedreht wurden.
Nach den ersten Auftritten in diesen Tonbildern sind Rosa und Henny 1910 zusammen auf der Leinwand in der Verwechslungskomödie Wem gehört das Kind? zu sehen. Im gleichen Jahr verkauft Rosa ihr Drehbuch Das Liebesglück der Blinden. Der Erfolg bedeutet nicht nur die Etablierung Hennys als Filmschauspielerin, sondern auch die Anerkennung Rosas als eine der ersten professionellen Drehbuchautor_innen Deutschlands.
Der erste Film unter der Regie Dr. R. Porteggs kommt im Juli 1916 in die Kinos, Das Geschenk der Norne. In den folgenden zwei Jahren entstehen in frappant hohem Tempo 21 weitere Dr. R. Portegg-Filme, Komödien sowie Dramen, fünf davon mit Wanda Treumann in der Hauptrolle, alle weiteren mit Rosa Porten.
Nach der letzten Produktion von Porten und Eckstein 1919, Frech gewagt ist halb gewonnen, wechseln beide zur National-Film über, wo Porten sich auf Drehbücher konzentriert, unter anderem für Erna Morena und Asta Nielsen, während ihr Mann Regie führt ‒ jede_r unter eigenem Namen. Dies ist eine außerordentliche Karriere im deutschen
Stummfilm, zumal für eine Frau.
Genauso außerordentlich sind die Filme und ihre Hauptfiguren. Die weibliche Erzählperspektive in Wandas Trick ist kein Zufall, auch Der neueste Stern vom Varieté hält diese Perspektive in Ehren: die Geschichten haben eine weibliche Hauptfigur und werden konsequent aus ihrer Sicht erzählt, ihre Erfahrungen und Ansichten steuern die Handlung. In den Komödien bekommt die Erzählung einen heiter-rebellischen oder ernst-komischen Ton, je nachdem, ob die Porten oder die Treumann die Rolle spielt.
Zielscheibe des gescheit-gutmütigen Witzes der Filmemacherin sind traditionelle Rollenverhalten, Standesunterschiede und alte Sitten, die von einer jungen Frau mit pragmatischem Humor entlarvt oder resolut verschmäht werden. Natürlich spielt die Liebe eine Rolle, aber nicht konventionell auf dem Weg zur Abhängigkeit, sondern als Mittel für die junge Frau, ihren eigenen Weg zu gehen und gesellschaftlich voranzukommen. In der Thematik spiegelt sich die historische Zeit, in der die Filme entstanden sind, die des Ersten Weltkriegs, dem ja große gesellschaftliche Unsicherheiten folgten, der bei Frauen aber auch eine Befreiungslust erweckte. Die scherzhafte, aber eben auch völlig unmoralische Kühnheit, die aus den Filmen Dr. R. Porteggs spricht, mag heute genauso begeistern wie damals.
_Annette Förster
Dr. R. Portegg (Rosa Porten, Franz Eckstein)
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