Internationaler Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen

Internationaler Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen

JUST IMAGINE …

»Könnten wir uns eine Welt vorstellen, in der weniger als zehn Prozent aller Filme von Männern gedreht werden?« fragte die spanische Regisseurin Icíar Bollaín jüngst anlässlich der Veranstaltung »You cannot be serious«. Im Rahmen der 63. Internationalen Filmfestspiele Berlin hatte das IFFF Dortmund | Köln eine Diskussion über den Status von Filmemacherinnen initiiert, die die Dringlichkeit des Themas und den Ärger von Frauen in der Filmbranche mehr als deutlich machte. »Wir reden der ›kulturellen Vielfalt‹ das Wort«, so Bollaín, »aber gleichzeitig wird die Lebenserfahrung der Hälfte der Menschheit an den Rand gedrängt oder von Männern interpretiert. Filme veranschaulichen, wer wir sind, drücken unsere innersten Gefühle aus […] Sie erschaffen Rollenbilder und beschreiben unsere Gesellschaft. Wie können wir es zulassen, dass nur die Hälfte erzählt wird? Und mit welchem Recht nennt man das vielfältig oder gar repräsentativ?«

Wiederholt stehen A-Festivals in der Kritik wegen ihrer all-male lineups. Das Argument, es gäbe nicht genug Qualitätsfilme von Regisseurinnen ist haltlos und letztlich Ausdruck einer sich selbst erhaltenden patriarchal geprägten Auswahlpolitik. Für den Dortmunder Spielfilmwettbewerb wurden weit über 100 aktuelle Spielfilme von Regisseurinnen aus rund 50 Ländern gesichtet und die Auswahl von acht Filmen bietet nur einen kleinen Querschnitt des zeitgenössischen Filmschaffens von Frauen.

Dank der kontinuierlichen Unterstützung durch die RWE Vertrieb AG wird zum fünften Mal eine etablierte Regisseurin für ihre Arbeit ausgezeichnet. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wird zwischen der Regisseurin (15.000 Euro) und dem deutschen Verleih (10.000 Euro) geteilt, um die Kinoauswertung des Preisträgerfilms in Deutschland zu fördern. Die alte Forderung »50 Prozent den Frauen« bleibt die Vision, wir arbeiten, wie die Oscar-prämierte Produzentin Vanessa Ragone sagt: »für eine Welt des Kinos, das zu gleichen Teilen von Frauen und Männern inszeniert, produziert und distribuiert wird. Was für eine Welt könnte das sein!« Einfach mal vorstellen.

_Stefanie Görtz

Preisträgerinnen
2021: Jasmila Žbanić mit Quo Vadis, Aida? (BA/AT/RO/DE/NL/PL/FR/NO 2020)
2019: Teona Strugar Mitevska mit God Exists, Her Name Is Petrunya (MK/BE/SI/HR/FR 2019)
2017: Delphine und Muriel Coulin mit Voir Du Pays (FR 2016)
2015: Naomi Kawase mit Still The Water (JP/ES/FR 2014)
2013: Małgorzata Szumowska mit In The Name Of… (PL 2012)
2011: Athina Rachel Tsangari mit Attenberg (GR 2010)
2009: Maren Ade mit Alle Anderen (DE 2009)
2007: Andrea Arnold mit Red Road (UK 2006)
2005: Keren Yedaya mit Or (My Treasure) (IL 2004)

Jury

Marita Breuer

Marita Breuer studierte Schauspiel an der Folkwang Hochschule in Essen und absolvierte eine Strasberg-Ausbildung in Parma und Wien. Ihr Anfangsengagement führte sie an das Stadttheater Gießen, seither arbeitete sie als freie Schauspielerin am Schauspielhaus Düsseldorf, an den Städtischen Bühnen Köln, am Aalto-Theater Essen, am Theater Aachen und am Schauspielhaus Zürich. Unter der Regie von Edgar Reitz spielte sie die Rolle der Maria Simon in der elfteiligen Fernsehserie Heimat (1980), für die sie mit dem Bayerischen Filmpreis und dem Deutschen Darstellerpreis ausgezeichnet wurde. Marita Breuer arbeitete mit Regisseur_ innen wie Karin Brandauer, Tom Toelle, Tom Tykwer und Hermine Huntgeburth. Ab Oktober 2013 ist sie in dem Kinofilm Die andere Heimat (Edgar Reitz) zu sehen. Seit 2000 tritt sie außerdem mit ihrem Bruder, dem Komponisten und Pianisten Wolfgang Breuer, in Musik- und Rezitationsprogrammen auf. Irgendein Blues spielt mit mir ist der Titel ihres aktuellen Projekts.

Marian Masone

Marian Masone ist unter anderem stellvertretende Programmdirektorin der Film Society des Lincoln Centre, Mitglied des Auswahlkomitees für das New York Film Festival und des Programmkomitees des Human Rights Watch Film Festivals. Sie sitzt im Aufsichtsrat von Women Make Movies (WMM) und ist Mitglied bei New York Women in Film and Television. Sie hat das Festival of Independents in Philadelphia und das New American Media Makers Festival im Museo Reina Sofia in Madrid kuratiert und in Jurys und Ausschüssen für das Metropolitan Museum of Art, das Black Maria Film Festival, das San Francisco Film Festival oder das New York Council on the Arts mitgewirkt. Marian Masone war unter anderem im Beirat des Boston International Festival of Women’s Cinema und bei Creative Capital. Außerdem war sie Gastdozentin an der Parsons School of Design, am Pratt Institute und im Museo Reina Sofia in Madrid. Masone schreibt in verschiedenen Publikationen über Film und Medien.

Jocelyne Saab

Jocelyne Saab wurde im Libanon geboren und ist Regisseurin, Autorin, Dokumentarfilmerin und Fotografin. Der Libanesische Bürgerkrieg führte die ehemalige Fernsehmoderatorin und Nachrichtensprecherin als Kriegsreporterin an die Front. 1975 drehte sie mit Lebanon in Turmoil ihre erste lange und preisgekrönte Dokumentation. Weitere, von der internationalen Kritik gelobte Dokumentationen im Libanon, Spanisch-Sahara, Ägypten, Iran, Vietnam und Kurdistan folgten. Ihr Spielfilmdebüt Suspended Life (1985), das während des Bürgerkriegs in Beirut entstand, wurde auf dem Festival in Cannes gezeigt. Dunia, ihr zweiter Spielfilm, lief auf dem Sundance Film Festival. Zunehmend beteiligte Jocelyne Saab sich auch an Kunstausstellungen und realisiert Kunstfilme, in denen sie die Freiheit der Phantasie thematisiert. So auch in What’s Going On?, der 2012 auf dem IFFF Dortmund | Köln zu sehen war. Aktuell hat sie einen Film für das Museum of Civilisations from Europe and the Mediterranean (MuCEM) in Marseille hergestellt und arbeitet an einem neuen Spielfilm.


Filme von Jocelyne Saab (Auswahl)
Dunia – Kiss Me Not on the Eyes 2006 | Paris in Love 2003 | The Lady of Saigon 1996/97 | Once Upon a Time in Beirut 1992/94 | A Suspended Life 1985 | Beirut, My City 1982 | The Sahara is Not for Sale 1978 | Children of War 1976 | Le Liban dans la tourmente 1975

Children of Sarajevo

Aida Begić

DE / FR / TR / BA
2012
Spielfilm
90’

»Wenn ich Kriegsvideos von ganz normalen Menschen benutze, um Rahimas Erinnerungen zu illustrieren, will ich im Prinzip die vertraute Erinnerung […]

Die Lebenden

Barbara Albert

DE / PL / AT
2012
Spielfilm
110’

»Ich wollte Zusammenhänge hinterfragen, nicht Buße für alte Schuld einfordern. Nicht das Wiederkauen der alten Schuld war mir ein Anliegen, […]

In the Name Of

Małgorzata Szumowska

PL
2012
Spielfilm
96’

»Ich fand die Liebe zwischen einem Priester und einem jungen Mann als Thema sehr interessant, habe mich aber sofort dagegen […]

Jackie

Antoinette Beumer

NL / US
2012
Spielfilm
100’

»Ich will Filme mit einem größeren Budget realisieren, ob das in Holland oder im Ausland möglich ist, spielt für mich […]

Mother’s Soul

Nhuê Giang Pham

VN
2011
Spielfilm
95’

»Ich wollte einen realistischen Film über das Leben von Frauen und Kindern in weniger privilegierten Schichten machen; über ein schwieriges […]

Pluto

Su-won Shin

KR
2012
Spielfilm
114’

»Korea hat weltweit die höchste Selbstmordrate bei Jugendlichen und zwar hauptsächlich wegen des Drucks, dem sie bei der Vorbereitung auf […]

Snackbar

Meral Uslu

NL
2012
Spielfilm
84’

Mohamed, Mounir, Nouredin und ihre Freunde haben viel Spaß, aber auch ziemlich große Wut im Bauch. Manchmal flippen sie schon […]

Watchtower

Pelin Esmer

TR / FR / DE
2012
Spielfilm
96’

»Als ich mir über den Wachturm und die Busstation im Klaren war, fan- den sich auch die Figuren ein. … […]