Programm

Panorama

»WHO CAN SPEAK FOR WHOM, UNDER WHAT CONDITIONS AND FOR WHAT PURPOSE?«
TINH T MINH-HA

Die Frage, wer für wen unter welchen Bedingungen und zu welchem Zweck sprechen kann, ist nach wie vor brandaktuell. Und sie stellt sich auch in der Filmauswahl des IFFF Dortmund | Köln. Die Sichtbarkeit von Frauen allein reicht nicht, vielmehr geht es um die Haltung, mit der Frauen und Männer abgebildet und welche Wirklichkeiten dadurch erzeugt werden.
Ein unformatiertes Erzählen lässt Zwischenräume zu, macht Geschichten möglich, die nicht der Norm entsprechen, und lotet bisher ungedachte Lebensentwürfe aus; andere, vielleicht glückliche. Geschichte, wie sie ist: fragmentarisch und uneindeutig. Was aber, wenn Filme mehr Fragen stellen als sie Antworten geben? Dann ist ein aktives Sehen der Zuschauer_innen unabdingbar. »To see is to be touched and penetrated by light.«, sagt Shelly Silver, die in Touch dokumentarisch die Geschichte einer fiktiven Figur erzählt und die alte Frage verhandelt, was Realität tatsächlich sein kann und wie sie darstellbar ist.
Eine andere Antwort gibt Jasmila Žbanić in For those Who Can Tell no Tales. Die, die keine Geschichten erzählen können, sind hier bosnische Frauen. Mit ihrer klugen Inszenierung gelingt es Žbanić für die Frauen zu sprechen und die Kriegsverbrechen an ihnen zu thematisieren, ohne sie erneut zu Opfern zu stilisieren.
In dem riskanten Bereich der Filmarbeit gehen die Künstlerinnen Wagnisse ein. Das sind aus unterschiedlichen Gründen mutige, künstlerische Interventionen: Etwa, weil sie radikal persönlich sind (Chiri) und dennoch hinausweisen über die Banalität der Geschichte eines Einzelnen. Katarina Schröter (The Visitor) definiert ihr künstlerisches Selbstverständnis: »Beyond the rule and beyond the role is for me a state I am tracking, is a state that I would defi ne for myself as artistic freedom«. Ein Parade-Beispiel für eine Künstlerin, die das Wagnis nie scheut, ist Mara Mattuschka. In Perfect Garden, ihrer aktuellen Kollaboration mit dem Choreografen Chris Haring und seinen Tänzer_innen, erfindet sieden Tanzfilm neu. Elisabeth Klocker gelingt es in dem Porträt Mara Mattuschka ‒ Different Faces of an Anti-Diva, Leben und Werk von Mattuschka in seiner Vielseitigkeit zu erfassen.
Widerständig im besten Sinne sind oft auch die Protagonist_ innen wie Majub, ein afrikanischer Filmstatist im Nazi-Deutschland, den Eva Knopf gekonnt vom Rand der Geschichte in den Mittelpunkt rückt. Oder Noor, der sich in Pakistan mit großer Selbstverständlichkeit gegen Geschlechter-Normativität behauptet.
Der Karrieresprung der Sexarbeiterin Jacky am Ende von Top Girl oder la déformation professionnelle trägt einen bitteren Beigeschmack. Denn ihre Selbstermächtigung von der Rolle der Hure zur Zuhälterin trägt post-feministische Züge im Sinne Angela Mc Robbies. Ihre Analyse zeigt auf, wie Frauen sich als erwerbstätige Konsumentinnen einvernehmen lassen zu Lasten einer feministischen Politik. Tatjana Turanskyj wählt das Mittel der Verfremdung und Stilisierung, um die Prostitution ihrer Heldin nicht naturalistisch nachzuerzählen. Sie interessieren vor allem die Strukturen hinter ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen. Meine Vagina gehört mir, und warum soll ich keine Schönheits- OP machen lassen, wenn ich das will? »Dass das ›Wollen‹ womöglich nicht gänzlich frei von sozialen Verwicklungen ist, dies wird gegenwärtig kaum refl ektiert.«
Vulva 3.0 – Zwischen Tabu und Tuning erzählt die Geschichte des weiblichen Geschlechts neu und fokussiert das irritierende Phänomen der post-feministischen Argumentation: Die Forderung nach Selbstbestimmung über den eigenen Körper wird konterkariert, wenn Frauen ihre Macht an die Mode- und Schönheitsindustrie delegieren und derem Phantasma von Weiblichkeit hinterherleben. In einem solchen politischen Klima stellen sich die Filme des Panoramas quer: schön und widerständig.

_Betty Schiel

Virtuos Virtuell

Maja Oschmann, Thomas Stellmach

DE
2013
Animationsfilm
7’

In Virtuos Virtuell visualisieren Maja Oschmann und Thomas Stellmach mit abstrakten Tuschezeichnungen die Ouvertüre zu Louis Spohrs Oper Der Alchymist. […]

Vulva 3.0 – Zwischen Tabu und Tuning

Claudia Richarz, Ulrike Zimmermann

DE
2014
Dokumentarfilm
79’

»›Das Zeigen der Vulva vertreibt Bären und Löwen, lässt den Weizen höher wachsen, beruhigt Sturmfluten und Dämonen haben Angst davor. […]

Working to Beat the Devil

Chu-Li Shewring, Adam Gutch

UK
2014
Kurzfilm
30’

»Es muss einen seltsamen Fehler bei diesen Experimenten gegeben haben, die Lösung muss zu stark gewesen sein.« Ein alternder Wissenschaftler, […]