Programm Vika Kirchenbauer
Akte des Zurückblickens
Lokale und globale Realitäten in scheinbar völlig unterschiedlichen Bereichen wie der Kunstrezeption, der modernen Kriegsführung, dem Onlinedating, den Überwachungsmechanismen, der Psychiatrie, der Bewegung von Körpern zwischen Nationalstaaten oder der Arbeit in der Erlebnisökonomie werden geprägt vom ›Verstehen‹ des Anderen, vom eigenmächtigen Schürfen nach Wissen über das Andere, mit dem Zweck, Urteile zu fällen oder Vorurteile zu bekräftigen.
Der gewaltsame Blick und sein beharrliches einseitiges Starren, wo etablierte Hierarchien durch ebendiesen unerwiderten Blick aufrechterhalten werden, bringen uns zu der Serie von Videoarbeiten mit dem Titel Acts of Looking Back. Es sind Arbeiten, die postinstitutionelle Kritik üben, indem sie spielerisch über die Rationalität und das bloße kognitive Urteilen hinausgehen und Affekt, Mehrdeutigkeit und Opazität in den Vordergrund rücken.
Wir beginnen mit Trio A (1966) von Yvonne Rainer, einem Werk, in dem die Choreografin einige Forderungen aus ihrem No Manifesto sehr beeindruckend in Tanz umsetzt: Sie sagt Nein zum Spektakel, zum Heroischen, zur Trash-Ästhetik, zur Einbeziehung des Performers oder des Zuschauers, zum Stil, zum Glamour, zur Verführung des Publikums durch die Tricks des Performers, zur Exzentrik und zum Bewegen oder Bewegtwerden.
In Trio A soll die Tänzerin keinen Blickkontakt zu den anwesenden Zuschauer_innen aufnehmen. Doch wie lassen sich Rainers Ideen produktiv umsetzen in einer Zeit, in der wir alle gelernt haben, für die Kamera zu agieren, und in der es alltäglich geworden ist, bei der Arbeit beobachtet, bewertet oder überwacht zu werden? In einer Zeit, in der unser persönliches Trauma untrennbar verbunden ist mit unserer Wirkung auf dem Bildschirm oder der Bühne? In der wir uns womöglich wünschen, den gewaltsamen Blick zu erwidern, statt ständig den Blickkontakt zu meiden? Wie können queere beziehungsweise ›verAnderte‹ Körper dem exotisierenden, legitimierenden oder delegitimierenden Blick auf der Leinwand etwas entgegensetzen, anstatt immer nur das Bedürfnis nach sensationellen Bildern, rührenden Stories und packender Unterhaltung zu bedienen?
Eine Antwort darauf gibt Nazlı Dinçels Video Solitary Acts #4, in dem die Vagina der Künstlerin allein den Blick auf das Publikum dominiert. Eine weitere Antwort bietet die im Märchenopernstil inszenierte Arbeit Possibly in Michigan von Cecelia Condit an: »Ich beiße die Hand, die mich nährt, schlage in das Gesicht, das mich isst …«
_Vika Kirchenbauer
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