Diesem Film ist nicht zu trauen: Uhren bleiben stehen, Lichtreflexionen treiben ihr Unwesen. Während Yezi einen Sommer mit ihrer Großmutter in einer Wohnung verbringt, tauchen wir in ihre Familiengeschichte ein. Dabei werden wir von jeglicher Chronologie befreit und zu einer anderen Zeitwahrnehmung eingeladen. Lichtquellen in allen erdenklichen Formen werfen abwechselnd Schatten des Vergessens und helle Erinnerungen durcheinander. »Es fühlt sich an, als würde ich träumen«, sagt die Großmutter und beschreibt dabei auch einen Gefühlszustand für diesen Film, dessen ästhetische Kreativität berauscht. Schillernde Kostüme verleihen den Traumwelten am Yuhna-See Magie, Zeichnungen geben Einblick in vergangene Emotionen, und fantasievolle Geschichten um den Jungen mit der angenähten Bärenhaut ziehen uns in ihren Bann.

Hinter den unbeschwert anmutenden Gesängen stecken aber auch melancholische Klänge, die von einer heranwachsenden jungen Frau erzählen. Einer Frau, die sich bewusst machen will, woher sie kommt und welche Geschichte ihr helfen kann, sich selbst zu verstehen. »Papa liebt nur seine Tochter, aber nicht mich«, bemerkt eine der Protagonist*innen und erzählt somit auch davon, dass wir für andere oft nicht die sein können, die wir gerne wären, und Eltern ihre Kinder nicht losgelöst vom Raum der Kindheit sehen können. Hier zeigt sich Niu Xiaoyus Gespür für zwischenmenschliche Feinheiten, die Virgin Blue zu einem reifen und formal außergewöhnlichen Debütfilm machen.

Dieser Film ist für den mit 1.000 Euro dotierten Publikumspreis nominiert. Bitte stimmen Sie ab, nachdem Sie den Film gesehen haben.
Eine Übersicht mit allen nominierten Filmen finden Sie hier.