Jia ting lu xiang
All About My Sisters
Wang Qiong
»Warum filmst du?«, fragt Jin ihre Schwester Qiong, die hinter der Kamera steht. »Um zu wissen, was du als Kind durchgemacht hast.« Während Qiong bei ihren leiblichen Eltern in der Stadt aufgewachsen ist, wurde Jin als Baby ausgesetzt und von ihrem Onkel auf dem Land aufgezogen. Qiong versucht, eine Brücke zwischen den Familienmitgliedern zu bauen, stößt dabei aber immer wieder auf abwertende Kommentare oder sprachlose Tränen.
Als Konsequenz der Ein-Kind-Politik in China war Jin eines von unzähligen weiblichen Neugeborenen, die von ihren Eltern in der Hoffnung auf einen noch zu folgenden Sohn abgetrieben oder ausgesetzt wurden. Während Jins Mutter einer Zwangssterilisation knapp entgehen konnte und neben der Geburt ihrer vier Kinder mehrere Abtreibungen durchlitten hat, erleben ihre Töchter die Nachwirkungen dieser traumatischen Zeit auf ganz unterschiedliche Weise. Die ältere Schwester Li verteidigt lächelnd ihren Mann, der ihr mit Ehebruch droht, wenn ihr zweites Kind kein Sohn wird. Jin wiederum kämpft mit ambivalenten Gefühlen und spiegelt ihrem Baby die Ablehnung, die sie bei ihren leiblichen Eltern erfährt. Die Versehrtheit weiblicher Körper durchzieht den Film und scheint sich von einer Generation auf die nächste zu übertragen. »Können wir das nicht ändern?«, fragt Qiong – und macht mit ihrem Debütfilm einen möglichen Anfang. In einem offenen Prozess aus Fragen und Gegenfragen, Zurückhaltung und Positionierung entsteht über drei Stunden das intime Porträt einer zerrissenen Familie, die sich den großen politischen Traumata im Kleinen stellt.
Dieser Film ist für den mit 1.000 Euro dotierten Publikumspreis nominiert. Bitte stimmen Sie ab, nachdem Sie den Film gesehen haben.
Eine Übersicht mit allen nominierten Filmen finden Sie hier.
Wang Qiong
Die chinesische Dokumentarfilmerin und Fotografin Wang Qiong wuchs in Ji’an auf und lebt zurzeit in Philadelphia, wo sie ihren Master of Fine Arts in Film an der Temple University macht. 2021 wurde sie dort für den prestigeträchtigen Princess Grace Award nominiert. In ihren Arbeiten beschäftigt sich Qiong vornehmlich mit sozialer Ungerechtigkeit und möchte den Menschen eine Stimme geben, die ansonsten ungehört bleiben. Ihr Langfilmdebüt All About My Sisters, für das sie sieben Jahre lang ihre eigene Familie filmte und interviewte, lief auf Festivals weltweit. Derzeit arbeitet sie an ihrem zweiten und dritten abendfüllenden Dokumentarfilm, Island und The Last Nail.
Filme von Wang Qiong
So Near, So Far 2020 | Ash 2019 | Searching for Tsangyang Gyatso 2015 | The Lost Lake 2014 | Sand Request 2013