Monolog
Laure Prouvost
»I am talking to you, there!« – Laure Prouvost Von der Künstlerin, die sich mit ihrem Monolog an das Publikum […]
»Der Krieg geht an andere Orte, zu anderen Menschen. Mit ihm reisen die Kameras und die Journalisten, und sie machen ihre Bilder. Wir bleiben hier mit unseren.«
Jasmila Žbanić
Die letzten zwei Jahrzehnte waren für viele Länder in Südosteuropa eine Phase des Übergangs und eine harte Zeit. Durch die Gründung neuer politischer Systeme und neuer Länder auf dem Balkan ist Filmemachen zu mehr als einer kulturellen Angelegenheit geworden. Es wird nun als eine tiefgreifende Ausdrucksform nationaler Identität verstanden, deren wiedererkennbare Stimme in anderen Ländern eine beträchtliche Resonanz erfährt. Darüber hinaus ist Film ein Forum für politische Auseinandersetzung und schafft dabei eine Grundlage für Versöhnung und Vereinigung. Zugleich verändert sich der Rest Europas und die EU-Familie wächst. Folglich beziehen sich die meisten Filme, die wir hier zeigen, auf relevante Veränderungen der sich in Bewegung befindenden europäischen Gesellschaften, wobei sowohl Spiel- als auch Dokumentarfilme Wichtiges zu erzählen haben.
Auch wenn man den Filmen aus unterschiedlichen Ländern des Balkans keinen einheitlichen ästhetischen Stil attestieren kann, so kristallisiert sich doch eine besondere Qualität heraus: ein Humor voller Selbstironie und ein finsterer, erbarmungsloser Blick auf das Missgeschick ihrer regionalen Helden. Eine gewisse Melancholie, eine Lyrik der Traurigkeit, die aus der Düsternis der Themen resultiert und eine raffinierte Mischung dokumentarischer und fiktiver Elemente sind die Ausdrucksformen des neuen Balkanfilms. Eine neue Generation junger RegisseurInnen macht sich erfolgreich den Ansatz des Autorenkinos zu Eigen, indem sie versucht, eine persönliche filmische Sprache zu finden, während sie zugängliche Erzählstrukturen beibehält. Unter diesen RegisseurInnen sind viele junge, selbstbewusste, talentierte Frauen, deren Arbeiten auf so renommierten Filmfestivals wie Cannes (Snow), Rotterdam (Does It Hurt? The First Balkan Dogma) und Berlin (Grbavica, Na Putu) sowie Amsterdam (Whose Is this Song?, The Bridge und The Grandmothers of the Revolution) Anerkennung finden. Die neue Generation hat auch ihrem heimischen Publikum den heimischen Film wieder nahe- und ansehnliche Filmauszeichnungen aus der ganzen Welt mit nach Hause gebracht: Oskars, Goldene Palmen, Goldene Bären, Tiger, Leoparden und Löwen. Darüber hinaus waren ihre Filme der Anstoß für die Gründung internationaler Filmfestivals in fast jedem Land Südosteuropas, von Bosnien (Sarajewo) bis Rumänien und von Bulgarien (Sofia) bis Kroatien (Motovun und Zagreb). Jedes einzelne von ihnen bestärkt in hohem Maße die Filmproduktion in Ländern, die mit ökonomischen Defiziten zu kämpfen haben und im Durchschnitt fünf Filme pro Jahr produzieren.
In südosteuropäischen Ländern werden mehr Dokumentar- als Spielfilme produziert. Ein Grund dafür ist, abgesehen von dem Mangel an Geld für Spielfilmproduktionen, dass Dokumentarfilme oft als Ausdruck des Herzschlags einer Gesellschaft empfunden werden. Das heimische Publikum hört in Dokumentarfilmen seine eigene Stimme widerhallen – oft provokativ und kritisch gegenüber den Nöten einer Ära nach Krieg und Sozialismus. Die besten Filme sind nicht nur beobachtend und beschreibend: Sie interpretieren die Realität auf persönliche, poetische und philosophische Weise.
_Rada Šešić