begehrt! – filmlust queer

begehrt! – filmlust queer

»I DIDN´T COME OUT OF THE CLOSET TO LIVE IN A BOX.«
PRESSETEXT ›WORKING ON IT‹

Der Gedanke, ein queer feministisches Programm im Rahmen eines Frauenfilmfestivals zusammenzustellen, birgt bei aller Selbstverständlichkeit zunächst einen Widerspruch in sich. Der Widerspruch liegt in dem Zusammenprall des Begriffs queer mit einer Plattform, die selbst auf den ersten Blick ausschließend zu sein scheint, da sie sich auf Filme von Frauen konzentriert und damit positioniert. Kategorien von Geschlecht und dem dazugehörigen Begehren sollen also aufgeweicht und hinterfragt werden, an einem Ort, der nur auf Grund dieser Kategorien funktioniert. Dies wird sinnhaft und ist so lange wunderbar möglich, wie das Festival selbst im Kontext einer immer noch patriarchal dominierten Gesellschaft existiert und die eigene Existenz damit politisch notwendig ist. Das Konzept, gerade diesem Frauenfilmfestival eine Perspektive der Aufweichung normativer Geschlechter- und Begehrenskonstrukte zu geben, untermauert diese politische Relevanz und ist daher eine Tradition die unbedingt weitergeführt werden muss.
Programmatisch ist der Sektion der Aufruf zu begehren überschrieben. Das Begehren, was wir suchen und wünschen, findet sich nicht allein als das Begehren der Protagonist_innen, es ist gleichzeitig auch die Frage nach einem Antrieb.
Der Anfang jedes schwul/lesbisch/transgender/queer Filmprogramms ist immer auch ein Begehren nach Sichtbarkeit
gewesen. Es ist das Begehren nach neuen Figuren, anderen Geschichten, das Begehren danach, sich in Filmen wiederzufinden, Identifikationsmöglichkeiten zu entdecken und zu schaffen. Es ist auch ein Begehren nach Figuren die nicht um
eine Anerkennung bitten wollen, sondern gebrochen, radikal, kritisch vielfältig, eigen und selbstbewusst sein können. Die Sichtbarkeit heißt es zu verteidigen und über Filme wieder und wieder und neu herzustellen. Dabei zeigt sich auch, dass es wichtig ist, für die Effekte sensibel zu sein, die mit dem politisch bereits Erreichten und mit einer Form von Sichtbarkeit einhergehen. Dann nämlich, wenn Figuren in bekannte Narrative überführt werden, um dort in der (weißen) Mittelklasse-Norm anzukommen und gleich und still zu werden. Cheryl Dunye spiegelt mit ihrem im Kollektiv entstandenen Film The Owls genau dies als den Zustand einer Gruppe von Lesben, die in der Vergangenheit einmal bewegt waren und jetzt keine Ziele mehr verfolgen, die nicht einmal mehr wissen, wer sie eigentlich sein wollen, waren oder sind. Sie erzählt eine Geschichte über Lesben in der Filmgeschichte, deren Begehren in den frühen Filmen
nur mit dem Tod aufgefangen werden konnte und denen aktuell eine Alternative zu schon bekannten Erzählungen fehlt.
Mögliche Alternativen zu dem Dilemma der Older Wiser Lesbians bieten die vielen anderen Filme der Sektion an. Es sind Alternativen die sich gegen die Verallgemeinerung stellen und ganz persönliche Ausdrucksmöglichkeiten suchen. Dabei schaut die Sektion in diesem Jahr besonders auf die Form. Im Fokus stehen Animationsfilme als ein bisher im Hinblick auf Fragen des Begehrens wenig beachtetes Genre.

_Natascha Frankenberg