Regra 34
Rule 34
Júlia Murat
Von allem, was im Internet existiert, gibt es auch eine pornografische Variante. So die titelgebende Regel 34 des dritten Spielfilms von Júlia Murat, die 2022 in Locarno den Goldenen Leoparden gewann. Tagsüber diskutiert die 23-jährige Jurastudentin Simone im Hörsaal energisch über die Situation der Frau in der Gesellschaft Brasiliens. Sie arbeitet in einem Zentrum für Opfer häuslicher Gewalt und forscht nach den Ursachen von Rassismus und Femizid. Nachts performt sie vor ihrer Webcam in einem Sex-Chatroom und wird zu extremeren Praktiken angespornt. Ihr Privatleben steht im Kontrast zu ihren intellektuellen Ambitionen: eine freigeistige Mixtur aus Selbstverteidigungskursen und sexuellen Experimenten im geschützten Raum mit ihren Uni-Freund*innen-Geliebten sowie Videocalls mit einer vertrauten BDSM-Praktikerin, die sie auf diesem prekären Weg lenkt. Als sie nach radikaleren Formen sexueller Befriedigung sucht, verschwimmen die Grenzen zwischen Body Empowerment und Selbstverletzung, sozialer Verantwortung und persönlichem Vergnügen. Sie kämpft darum, ihre Triebe mit ihrem Berufsleben und Engagement in Einklang zu bringen. Selbst die Anonymität, die ihr das Internet einst bot, droht zu erodieren. Ihre Freunde sind besorgt. Simone besteht darauf, ihre Sexualität auszuleben: »Sorry, wenn das für euch nicht feministisch genug ist.« Eines der kantigeren Themen des Films, das in der Frage nach der Wirksamkeit und den Möglichkeiten persönlich-politischer Handlungsfähigkeit wurzelt.
Dieser Film enthält Szenen sexueller Natur und Gewaltszenen, die einige Zuschauer*innen als verstörend empfinden könnten.
Hier geht’s zum Q&A mit Regisseurin Júlia Murat.
Preise für ›Rule 34‹
Goldener Leopard – Locarno Film Festival 2022

Júlia Murat
Júlia Murat wurde 1979 in Rio de Janeiro geboren. Sie machte ihren Abschluss an der Universität Rio de Janeiro in Grafikdesign und an der Darcy Ribeiro Film School als Drehbuchautorin. Sie hat Kurzfilme, experimentelle Videos, Werbespots und Video-Installationen realisiert und umfangreiche Erfahrungen als Cutterin, Regie- und Kameraassistentin. Ihr abendfüllender Dokumentarfilm Dia Dos Pas (2008) wurde bei Cinéma du Reel uraufgeführt. Historias que so existem quando Lembradas (2011) war ihr erster abendfüllender Spielfilm, gefolgt von Pendular (2017), der auf dem IFFF Dortmund+Köln im Internationalen Debüt-Spielfilmwettbewerb gezeigt wurde. Ihr neuester Spielfilm Rule 34 wurde auf dem Locarno Film Festival 2022 uraufgeführt und gewann den Goldenen Leoparden für den besten Film.
Filme von Júlia Murat
Pendular 2017 | Historias que so existem quando Lembradas 2011 | Dia dos Pais 2008 | Ausencia 2004 | Desvellar 2003