Europa
Europa
Sudabeh Mortezai
»Ausbeutung ist der Kern unserer Lebensweise in den privilegierten Gesellschaften des Westens … Es gibt keinen Fortschritt ohne Opfer. Irgendjemand muss den Preis dafür zahlen. Und jemand muss die Arbeit erledigen.«
– Sudabeh Mortezai
Unterirdische Betonbunker irgendwo in Albanien. Gebaut zur Zeit des kommunistischen Diktators Enver Hoxha. Ein Reiseführer erklärt, der Diktator habe panische Angst vor einer Invasion des Westens gehabt. Die nicht stattfand, damals. Aber jetzt? Regisseurin Sudabeh Mortezai schickt die Invasoren in Gestalt der ehrgeizigen Managerin Beate Winter ins entlegenste Albanien – in Anzug und High Heels; die blonde Hochsteckfrisur einer undurchdringlichen Hitchcock-Figur. Europa! ist hier nicht die Verheißung, auf die immer noch viele Länder hoffen. Sondern ein multinationaler Konzern, den Beate Winter vertritt. Sie spricht von Strukturentwicklung und Frauenförderung: »You are the future. Not just the future of Albania. But the future of Europe.« Die philanthropische Fassade fällt bald, die Grimassen der Abgebrühtheit treten hervor, und wir erfahren von einer geheimnisvollen Agenda, für die Winter den Einheimischen ihr Land abkaufen soll. Als der eigensinnige Bauer Jetnor sich weigert, das Land seiner Vorfahren aufzugeben, greift Winter zu schmutzigen Mitteln. Das Breitbildformat von Bildgestalter Klemens Hufnagl fängt die Pracht der unberührten Landschaft Albaniens ein, während die düstere Ruchlosigkeit des Neokolonialismus zunehmend die Leinwand füllt.

Sudabeh Mortezai
Sudabeh Mortezai, Tochter iranischer Eltern, 1968 in Ludwigsburg geboren, wuchs in Teheran und Wien auf. Sie war Leiterin des Filmcasinos in Wien, arbeitete bei der Viennale und absolvierte ihr Theater- und Filmstudium in Wien und Los Angeles. 2007 war sie Co-Gründerin der Produktionsfirma FreibeuterFilm. Nach ersten Dokumentarfilmen feierte ihr Spielfilmdebüt Macondo Weltpremiere im Wettbewerb der Berlinale 2014. Ihr zweiter Spielfilm Joy wurde 2018 in Venedig uraufgeführt und erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen, darunter den Preis für den besten Film beim BFI London Film Festival und den Étoile d’Or beim Marrakech International Film Festival. Mortezais Filmarbeit ist geprägt von Improvisation und freiem Spiel, sie arbeitet häufig mit nichtprofessionellen Darsteller*innen.
Filme von Sudabeh Mortezai
Joy 2018, Macondo 2014, In the Bazaar of Sexes 2009, Children of the Prophet 2006
Preise für Europa:
Five Lakes Film Award for Best Feature Film 2024 – Five Lakes Film Festival
Special Jury Award – Viennale 2023