Gestatten Dortmund – Elisabeth Wilms

Gestatten Dortmund – Elisabeth Wilms

Elisabeth Wilms steht im Trenchcoat und mit der Filmkamera auf der Schulter auf einem Baugerüst

»Das war für mich restlos neu, dass man selber Filme drehen konnte. Ich habe vordem selten fotografiert, und wenn, dann unbedeutende Bilder gemacht. Von Stunde an war ich wie im Fieber. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich jetzt der Erfüllung meiner geheimsten Wünsche nahe.«
– Elisabeth Wilms

Zum Film kam Elisabeth Wilms durch Zufall: Sie sah 1941 – mitten im Krieg – bei einer Nachbarin einen 8-mm-Film und war von Stund an begeistert. Filmmaterial und Kamera beschaffte sie sich durch ihre geschäftlichen Beziehungen. Sie eignete sich autodidaktisch das nötige Know-how an, lernte am Beispiel der Kollegen des Dortmunder Schmalfilmclubs, dem sie 1943 beitrat, und besaß vor allem ein begnadetes Talent. Ihre Aufnahmen halten jedem professionellen Niveau stand. Dabei betrachtete sie sich selbst immer als Amateurin – als filmende Bäckersfrau. Als Tochter des Metzgermeisters und Wurstfabrikinhabers kam sie aus einem Handwerksbetrieb und führte als Ehefrau des Dortmund-Asselner Bäckermeisters Erich Wilms engagiert einen eigenen Geschäftshaushalt. Mit ihren Bäckerfilmen dokumentierte sie ihre Liebe zum Handwerk, zur Familie und zur Heimat. Sie erhielt 1944 von der Filmprüfstelle in Berlin Auszeichnungen für diese Filme, da sie ins nationalsozialistische Konzept passten. Allerdings hatte sie ganz unbekümmert und ohne den Namen zu nennen den Weihnachtsbäcker nicht mit ihrem – im Krieg eingesetzten Ehemann –, sondern mit dem Kriegsgefangenen Pierre Lelong besetzt.
Zu Elisabeth Wilms Naturell gehörte auch ein soziales Engagement, das sie filmisch zum Ausdruck brachte. Kirchlich verbunden waren Elisabeth und Erich Wilms mit der Asselner Gemeinde. Er war lange Jahre Presbyter und Kirchmeister, sie sang im Kirchenchor. Ausflüge der Frauenhilfe, Gemeindefeste und -ereignisse sind in der Folge der Pastoren Fromm, Küper, Schmidt und Bahrenhof über 35 Jahre nachgezeichnet. Selbstverständlich hat Elisabeth Wilms auch alle möglichen familiären Feste wie Hochzeiten, Taufen, Geburtstage und Beerdigungen filmisch festgehalten, an denen Sozialgeschichte von 1941 bis 1980 abzulesen ist. Die Reisewelle der 50er Jahre hatte auch Elisabeth und Erich Wilms erfasst. Mit dem eigenen Wohnwagen und der Kamera erkundeten sie die Mosel, das heimatliche Münsterland, das Sauerland: Mitte der 50er Jahre bereisten sie das Sonnenland Italien. Eine Traumreise von den Alpen über Bodensee und Schwarzwald führte bis zur Expo in Brüssel.

Elisabeth Wilms war vor allem eine Filmchronistin ihrer Stadt und ihrer Zeit. Sie war keine sozialkritische und schon gar keine politische Filmemacherin, wie sie im Zuge der Student_innen-Bewegung auf den Plan treten würden. Auch hatte sie keinen frauenspezifischen oder gar feministischen Blick auf die gesellschaftliche Frauenrolle. Im Gegenteil füllte sie diese Rolle selbst sehr resolut und kreativ aus. Ihre Stärke beim Filmemachen lag in der Kameraführung. Das Schneiden des Materials erledigte sie am häuslichen Wohnzimmertisch mit einem gewöhnlichen Umroller. Das Zimmer war ausgestattet mit einer langen Schrankwand, die Hunderte von Filmdosen enthielt. Vor dem Blumenfenster gab es eine in die Decke eingelassene Leinwand, die, bei entsprechenden Gelegenheiten heruntergelassen, der Filmvorführung diente. Elisabeth Wilms hatte zwei Helfer im Hintergrund: ihren freundlichen und duldsamen Mann Erich und ihre Schwägerin und Haushälterin Grete. Elisabeth Wilms erhielt 1977 das Bundesverdienstkreuz und 1979 die Ehrennadel der Stadt Dortmund. Sie starb am 25.8.1981.
Dieses Programm konzentriert sich auf Filme über Dortmund, die nur bruchstückhaft Wilms Gesamtwerk wiedergeben. Ihre bundesweit bekanntesten Filme zeigen das Nachkriegselend der Bevölkerung der Stadt Dortmund. Sie drehte sie für das Evangelische Hilfswerk, um im Ausland Spenden zu sammeln. Heute sind es eindrucksvolle historische Dokumente, die immer wieder in Dokumentationen über diese Zeit verwendet werden.
_Hanne Hieber


Filme von Elisabeth Wilms (Auswahl)
ThyssenKlönne Stahlbrückenbau 1975 | Dortmund – nicht nur Industriemetropole 1967 | Traumreise 1958 | Helft den Menschen 1953/1954 | Alltag nach dem Krieg 1948/1981 | Schaffende in Not 1948 | Kindersonntag 1944 | Münsterland – Heimatland 1944 | Pumpernickel 1942 | Familie Wilms privat 1941/51

Filmreihe Ruhr Lokal: Wer Ruhrgebiet sagt, sagt auch Arbeit

Foto: © Stadtarchiv Dortmund

DE
1967
Kurzfilm
32’

Spielende Kinder stürzen an den mit verschiedenen Gebäcksorten gedeckten Tisch. Kinder und Mütter essen Quarkgebäck, schließlich Schaufenster-Auslagen der Bäckerei. Dieser […]

Alt-Dortmund unzerstört

Elisabeth Wilms

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1942/43
Dokumentarfilm
3’

Ein Filmfragment von der Dortmunder Innenstadt vor der Zerstörung: Zu sehen sind unter anderem Bläserbrunnen, Kirche, Hauptbahnhof und die Städtische […]

Der Weihnachtsbäcker

Elisabeth Wilms

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1943
Dokumentarfilm
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In der Wilms’schen Backstube entsteht noch 1943 das köstlichste Weihnachtsgebäck: Stutenkerle, Torten, Spekulatius, Printen, Pfeffernüsse, Marzipan, Eclairs … In einer […]

Alltag nach dem Krieg

Elisabeth Wilms

DE
1948/81
Dokumentarfilm
15’

Das weitgehend zerstörte Dortmund im Jahr 1947: Menschen hausen unter widrigen Umständen in Kellern oder einsturzgefährdeten Häusern, zerlumpte Wäsche hängt […]

DE
1952
Dokumentarfilm
20’

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Gestatten Dortmund

Elisabeth Wilms

DE
1980
Kurzfilm
17’

»Aber kennen Sie diese Stadt wirklich? Hier haben Sie Gelegenheit zu einem Streifzug durch die Stadt. Selbst exotische Reize waren […]