Auflösung 2 – Bruderland ist abgebrannt

Auflösung 2 – Bruderland ist abgebrannt

»VOLK, JA WAS VERSTEHT MAN UNTER VOLK?
MEINEN SIE JETZT AUCH SO MIT DEN AUSLÄNDERN
UND SO ALLES?«
PROTAGONISTIN IN ›FORMER EAST/FORMER WEST‹

Bruderland ist abgebrannt (1992) und Former East/Former West (1994 wurden beide in Berlin in den frühen 1990er-Jahren gefilmt. Diese Filme, die vor Jahrzehnten entstanden, sind für uns Fenster in die damalige Zeit, aber es lassen sich auch Ursprünge heutiger Geschehnisse in ihnen finden. Former East/Former West holt weit aus, um einzufangen, was es wenige Jahre nach der Wende bedeutet, deutsch zu sein, und beinhaltet eine Vielzahl von Stimmen, Positionen und sich verschiebenden Spannungen. Bruderland ist abgebrannt grenzt den Fokus stärker ein, auf die Vietnames*innen, die als Gastarbeiter*innen in die DDR eingeladen worden waren und nun Arbeit und rechtlichen Status verlieren; sie können jetzt schwanger werden, ohne dass eine Zwangsabtreibung droht, sind aber ohne Mittel, eine Familie zu ernähren. Beide Filme fragen implizit, was ein Regimewechsel mit sich bringt – und für wen? Wir werden durch den Ort, an dem wir leben, geprägt – durch sein gemeinschaftliches Glaubenssystem, durch Einschränkungen und Freiheiten, die wir akzeptieren oder bekämpfen. Was heißt es, wenn wir gezwungen sind, diesen Ort zu verlassen, oder wenn er sich unwiderruflich verändert? Wer befindet sich in der Position, einen solchen Wandel wahrzunehmen? Und wer hat die Macht darüber?
An einer Stelle überlagern sich die beiden Filme, als eine Frau in Former East/Former West sagt: »Fidschis (Vietnamesen) können bleiben, aber nicht Jugoslawen, Türken, Araber und der ganze Abschaum«; ein so kurzer wie fragwürdiger Moment der Solidarität. Beim Dreh von Former East/Former West fiel mir auf, dass die mitschwingenden Vorurteile zwischen den sogenannten »Ossies« und »Wessies« am tiefsten waren. Begriffe wie »Faulheit«, »Dummheit« und sogar »Geruch« werden meist mit Rassismus assoziiert, doch hier spielte die Hautfarbe gar keine Rolle. Offensichtlich können Vorurteile auf jede Person und jede Bevölkerungsgruppe übertragen werden, aus welchem vorgeschobenen Grund
auch immer – die Hautfarbe ist nur ein besonders bequemer und furchtbarer Vorwand unter vielen.
– Shelly Silver

In Kooperation mit der Gleichstellung der Kunsthochschule für Medien Köln

Bruderland ist abgebrannt

Angelika Nguyen

DE
1991
Dokumentarfilm
28’

Bruderland ist abgebrannt (Brotherland has burnt down) is dedicated to the fate of Vietnamese contract workers in the GDR whose […]

US
1994
Dokumentarfilm
64’

Made up of hundreds of street interviews done in Berlin two years after the Reunification, Former East/Former West is a […]