Le pays à l’envers
Sylvaine Dampierre
50 Jahre ist es her, dass ihr Vater Guadeloupe verließ. Nun reist Sylvaine, aufgewachsen in Frankreich, dorthin zurück, um die Herkunft ihres Nachnamens Dampierre zu recherchieren. Dessen Geschichte reicht bis in die Zeit der Versklavung. Viel mehr als Reise in die Vergangenheit, zeichnet der Film ein kraftvolles Porträt der Insel und ihrer Bewohner*innen in ihrer Gegenwart.
Wir treffen den Genealogen Michel Rogers, der seit Jahrzehnten in mühevoller Kleinarbeit die Stammbäume guadeloupischer Familien zeichnet. Guadeloupe gehört bis heute zum französischen Staat; seine Geschichte ist die eines gewaltvollen Aufeinandertreffens des amerikanischen und afrikanischen Kontinents, motiviert von den imperialistischen Interessen Europas zur Zeit des Sklaverei. Le pays à l’envers will ein Spiegel sein und Frankreich seine Kehrseite zeigen. Es ist aber auch eine Suche der Filmemacherin selbst nach ihrem eigenen »anderen Gesicht« – eine Affirmation des Kreolischen, eine Feier der Hybridität, des eigenen In-der-Welt-Seins und auch des Schmerzes, der damit verbunden ist.
Das Gegenwärtige der Vergangenheit findet Dampierre auch in Körpern und Landschaften der Insel. Die Choreografin Lena Blou und ihre Schülerinnen vermessen innere und äußere Erbschaften mit ihren Körpern, im Gespräch. Die Kamera folgt den Pfleger*innen der kreolischen Gärten, die die Einträge Schwarzen Erbes der Insel bis heute lebendig halten. Dabei ist die kreolische Musik zuverlässige Begleiterin der Regisseurin auf ihrer Reise zur Kehrseite der Geschichte(n).

Sylvaine Dampierre
Die Autorin und Filmemacherin Sylvaine Dampierre lebt und arbeitet in Paris und auf Guadeloupe. Sie hat einen Abschluss an der École supérieure des Arts Décoratifs und ist Mitbegründerin des TV-Senders Télé-Rencontres in der Pariser Jugendstrafanstalt La Santé. Sie arbeitete als Cutterin, bis sie 1998 mit dem Film L’île ihr Regiedebüt vorlegte. Seit 1993 unterrichtet sie in den Ateliers Varan und wurde 2020 Managerin von Varan Caraïbes. Sie leitet Workshops für Regie, Montage, Sound und Web-Dokumentation in Guadeloupe. 2022 zeigte sie beim IFFF Paroles de nègres, den sie 2024 für MANiFEST als Installation weiterentwickelte.
Filme von Sylvaine Dampierre (Auswahl)
Piazza Mora 2013 | Le pays à l’envers 2009 | Pouvons-nous vivre ici? 2002 | D’un jardin, l’autre 1998–2005