Die lange Filmnacht

Die lange Filmnacht

»VON DEN ELTERN ZUR BELOHNUNG,
EINE SCHÖNE EIGENTUMSWOHNUNG!«
CHRISTIANE RÖSINGER, »EIGENTUMSWOHNUNG«

Europa, die Eigentumswohnung, posierende Jäger nach dem Schuss, frustrierte Schwangere, Women Acting Like Staubsaugerroboter, Lichtwellen, eine Pussy, die sich entschließt, eigene Wege zu gehen … Das sind nur einige Kostproben aus der langen Filmnacht. Es geht kunterbunt zu in der Welt, würde Pippi sagen. Seit Trump ist alles möglich, auch geballter Widerstand. Schon länger schlägt die Popmusik wieder politischere Töne an, Blicke auf die Realität statt Selbstinszenierung. In Go Off verzichtet M.I.A. auf Menschen im Bild und schneidet Minenexplosionen aneinander. Auch Europa zeigt dokumentarische Bilder europäischer Industriegebiete und Fußgängerzonen im Vorbeifahren. In Hail the Bodhisattva of Collected Junk suchen taiwanische Straßenhändler lautstark nach Schrott und Elektronik. Die Ware Wohnraum: Christiane Rösinger versucht es mit der Eigentumswohnung, die ihr nicht von Immobilienhaien, sondern den eigenen Bekannten streitig gemacht wird. Manche fallen aus der Rolle: Das propagierte Glück der Schwangerschaft hält bei den Moms on Fire keinen Einzug. Mit einem Schlauchboot treibt die ExplorerIn 2009 illegalerweise durch einen Nationalpark in Südamerika. Andere bleiben in ihrer Rolle stecken: 45 Jahre Ehe hinterlassen Close Ties. Trotz achtjähriger Abwesenheit des Ehemanns sind Barbara und Zdzisław wieder zusammen, ein Leben zwischen Anziehung und Abstoßung. Zwei Performances widmen sich der Darstellung von Weiblichkeit in einer männlich dominierten Popkultur. Lisa Gornick präsentiert eine dreißigminütige Version ihrer Lesbian Film Live Drawing Show. What’s Good? mixt und vereint das Zeugnis einer verdorbenen Grrrls- und LGBTQ-Kultur, um ihnen am Ende zu geben, was sie verdienen – sichtbar zu sein. Die lange Filmnacht, geschüttelt und nicht gerührt.
_Jessica Manstetten