Fotoausstellung Tarlabaşı: On the Edge of Transformation
Jivan Güner, Meltem Ulusoy, Sedef Özge
Mit Fotos von: Jivan Güner, Meltem Ulusoy, Sedef Özge
Der massive urbane Wandel Istanbuls ist unübersehbar. Sukzessive wurden die alten Quartiere auf der historischen Halbinsel und in den touristischen Gegenden Opfer der Gentrifizierung und mussten luxuriösen Neubauten und
eleganten Shopping Malls weichen. 2007 beschloss man, Tarlabaşı im Zentrum Beyoğlus zur »Champs Elysées Istanbuls« zu machen. Wo einst Griechen, Armenier, später Roma und kurdische Flüchtlinge aus den niedergebrannten
Dörfern Ostanatoliens in einem lebendigen Mix von Kulturen und Lebensstilen zusammenlebten, galt nun ein Renovierungsverbot für Altbauten. Gerade diese hatten Tarlabaşı jedoch zu einem attraktiven Viertel für die aus den
besseren Gegenden verdrängten Bevölkerungsgruppen − Arbeitslose, Sexarbeiter_innen, Transvestiten, Flaschensammler_ innen, illegale Einwander_innen und andere − gemacht. Die Mieten waren niedrig, die Quartiere interessant. Im Rahmen des Stadtumbauprojekts Tarlabaşı soll Beyoğlu von »Drogenhändlern, Dieben, Transvestiten und Obdachlosen« »gesäubert« und der Kiez selbst wieder in das touristische Zentrum Beyoğlu eingegliedert werden. Geplant sind Luxuswohnungen, Hotels und mehrgeschossige Parkhäuser für eine Zone mit 278 Gebäuden. Die dort lebenden und arbeitenden Familien mussten an den Stadtrand ziehen oder in ihre Dörfer zurückkehren. Dann umstellte man den gesamten Bezirk mit Aluwänden. Und schließlich erfolgte der Abriss.
Jivan Güner, Meltem Ulusoy und Sedef Özge fotografi erten Tarlabaşı nach Beginn des Stadtumbaus, kurz bevor die Häuser hinter den hohen Alumauern endgültig fielen. Sie verbrachten viele Monate im Quartier, sprachen mit
den Anwohnern und hielten die lebendigen Straßenszenen jenseits der Grenzen des Planungssektors ebenso fest, wie die Melancholie der geräumten Häuser. Viele Menschen verloren ihr Zuhause und ihre Arbeit und litten unter den
drastischen Folgen der Verdrängung. Nach Abschluss des Projekts und im Zuge der »Gentrifizierung« Tarlabaşıs wird sich auch der Rest des Quartiers radikal verändern. Eines der letzten Beispiele für die Nachbarschaftskultur Istanbuls wird dann Geschichte sein.
Jivan Güner
Jivan Güner, geboren 1990 in Istanbul. 2011–2013 Teilnahme am Programm für Fotojournalismus der Galata Fotoğrafhanesi Academy of Photography. Güners Fotos wurden unter dem Titel »Tarlabaşı : Let Us Live!« im Rahmen der Ausstellung »Orient Express, Kars, Ani« und beim UNIFOTOFEST Student Photographers’ Festival gezeigt. Sie war Reporterin für die Dicle News Agency (DIHA). Im Dezember 2012 präsentierte die Photography Foundation Gallery in Istanbul ihr Dokumentarfotografieprojekt »Nomads«. Güner arbeitet als Fotojournalistin und Reporterin
für das Online-Portal der Ajans Tabloid. Aktuell studiert sie im vierten Semester Journalismus am Fachbereich Kommunikation der Marmara University Faculty of Communications und ist als Auszubildende Fotografin für die European Pressphoto Agency (EPA) tätig.
Meltem Ulusoy
Meltem Ulusoy, geboren 1979 in Manisa. 2000 Abschluss an der Fakultät für Geophysical Engineering der Kocaeli Universität. Ulusoy war Editorial Coordinator der Zeitschrift der türkischen Ingenieurs- und Architektenkammer. Sie schrieb über Kunstevents in Architekturmagazinen (Portfolyo und Yapi). 2011–2013 Teilnahme am Programm für Fotojournalismus der Galata Fotoğrafhanesi Academy of Photography. Ulusoy ist Fotojournalistin und Reporterin für das Online-Portal der Ajans Tabloid. Aktuell arbeitet sie als freie Grafikerin und fotografiert die Unterprivilegierten der Gesellschaft.
Sedef Özge
Sedef Özge wurde 1973 in Ankara geboren. Sie hat einen BA und einen MA in Soziologie und absolvierte 2011−2013 das Photojournalism Program der Galata Fotoğrafhanesi Academy of Photography. Für The Coachman begleitete sie fünf Monate lang Pferdekutscher in Istanbul. Die daraus resultierende Bilderreihe wurde in Istanbul und Diyarbakir gezeigt. Sedez Özge arbeitete als Fotojournalistin und Reporterin für das Online-Nachrichtenportal Ajans Tabloid. Aktuell ist sie als freiberufliche Übersetzerin tätig und widmet sich weiteren Fotostories.