La fée aux fleurs
Alice Guy
Ein Blumen-Arrangement. Bonsoir.
Alice Guy
Alice Guy (1873 – 1968) ist eine außergewöhnliche und einmalige Frau in der Filmgeschichte: Sie war die erste Filmemacherin und eine der ersten, die überhaupt Filme für ein schaulustiges Publikum drehte. Ende des 19. Jahrhunderts begann sie ihre Filmarbeit gleichzeitig mit Georges Meliès und den Brüdern Lumière. Im Gegensatz zu diesen »Pionieren« ist sie aber bis heute selbst bei Fachleuten kaum bekannt. Die feministische Kritik hat das seit den 1970- er Jahren oft thematisiert, denn Alice Guy drehte zwischen 1896 und 1920 mehr als 1000 Filme – bis 1907 in Frankreich, dann in den USA.
Trotz des Booms, den das Frühe Kino in den 1980-er Jahren erlebte, haben auch Archive ihr Werk eher vernachlässigt. Zu den Meilensteinen ihrer Wiederentdeckung zählt die posthume Veröffentlichung der Autobiographie d ́une pionnière du cinéma (1873 – 1968) Alice Guy durch die L’Association Musidora. Forscherinnen wie Alison McMahan und Kim Tomadjoglou konnten mittlerweile zahlreiche ihrer Arbeiten identifizieren und restaurieren (lassen). Ende 2009 fand eine erste Retrospektive im Whitney Museum statt, zwei weitere in Paris und Bologna folgten 2011. Die Kinothek Asta Nielsen veranstaltete 2012 das Filmsymposion »Alice Guy. Erste unter Gleichen«.
Die Überlieferungsgeschichte der Pionierin Alice Guy ist so extrem wie ihre Tatkraft und ihre Leidenschaft. Schon in sehr jungen Jahren war sie ungewöhnlich selbstständig für ein bürgerliches Mädchen – und wurde Ende 1895 Sekretärin von Léon Gaumont im Comptoire Général de Photographie in Paris. Kurz darauf unterstützte sie ihren zögerlichen Chef, die Firma zu übernehmen. Das war der Beginn der heute weltbekannten Gaumont-Filmproduktion – damals eine Fabrik für optische Apparate, in der führende Wissenschaftler und Techniker aus und ein gingen. Alice Guy wollte aus diesem Kreis ausscheren und die Kamera zur Produktion unterhaltsamer Filme verwenden. Sie schlug über die Stränge – und hatte damit Erfolg, nicht zuletzt finanziellen. So etablierte sie sich als erste Regisseurin und Filmproduzentin der Firma Gaumont. 1907 zog sie mit ihrem Ehemann, dem Kameramann Herbert Blaché, in die USA. Sie bekamen zwei Töchter – was Alice Guy allerdings nicht am Filmemachen hinderte; im Gegenteil produzierte sie nun lange Spielfilme und gründete außerdem ihre eigene Firma Solax (1910 – 1914).
Ihre exzessive Leidenschaft für das Kino spiegelt sich auch in der Vielfalt und im Duktus ihrer Filme wider. Als Regis- seurin durchstreift Alice Guy mit Leichtigkeit alle Genres, spielt mit populären Mythen – wie in ihrem berühmten ersten Film La Fée au choux, dessen Remake Sage-femme de première classe ist – und filmt mit dem gleichen Eifer die Pariser Weltausstellung wie sie das Celluloid für Ausflüge in phantastische Welten verwendet. Vor allem die Feen hatten es ihr angetan. Aber auch die Tänzerinnen oder ein Hund, der mit traumtänzerischer Sicherheit einen Ball in die Luft katapultiert. Vieles geschieht in der Filmwelt der Alice Guy mit einem Augenzwinkern. Häufig beginnen ihre Filme mit einer komischen Begebenheit – um inmitten eines Tumults zu enden: wie in Madame a des envies, in dem es eine Schwangere nach dem Lutscher eines Kindes gelüstet. Ungehemmt greift sie danach und dieser Zugriff macht die Zuschauer lachen, weil sie ihn zwar als ungehörig verurteilen möchten, aber gleichzeitig den Ausnahmezustand der Frau anerkennen müssen. Die wiederum nutzt ihre Lage schamlos aus und benimmt sich immer wieder daneben, indem sie ihre lüsternen Übergriffe wiederholt – bis inmitten der um sich greifenden Entrüstung schließlich das Kind aus ihr herausrutscht. Ende.
Filme von Alice Guy (Auswahl)
The Adventurer 1917 | The Girl in the Armchair 1913 | A Fool and His Money 1912 | Les résultats du féminisme 1906 | Le matelas alcoolique 1906 | Le frotteur 1907 | La femme collante 1906 | Sage-femme de première classe 1902 | Au bal de flore 1900 | La fée aux choux 1896