Am Rand der Städte
Aysun Bademsoy
»Heute wird fast jeder Dokumentarfilm mit Kommentaren überfrachtet, so dass die Bilder nur noch hinterherhinken. Ich möchte jedoch, dass die Bilder nicht nur dazu da sind, etwas zu beweisen, sondern dass sie alles Nötige über die Menschen in diesen Siedlungen sagen, die mich überrascht haben und die unglaublich gut erzählen können: über die Türkei, über Deutschland, über ihre Vorstellungen und über ihre Träume, für die sie gespart haben, denen sie hinterhergereist sind, denen sie hinterherleben und die sie immer verpasst haben.«
– Aysun Bademsoy
Etwas außerhalb von Mersin liegt eine jener Siedlungen, die zu Beginn der 2000er Jahre überall am Rand türkischer Großstädte entstanden und deren Architektur für die Türkei völlig neu war. Große Wohnblöcke gruppieren sich dort um eine Art Park mit Swimmingpools, Begegnungsstätten, Restaurants und Bars. Das Gelände ist umzäunt, es gibt einen privaten Sicherheitsdienst. In diesen Wohnblocks – die so vielversprechende Namen wie Paradies 2, Oase oder Am Olivenhain tragen – leben die sogenannten Deutschländer. Zumeist Türken, die lange im Ausland, vor allem in der Bundesrepublik, gearbeitet haben. Jahrelang haben sie gespart und ihr Geld sicher angelegt, um ihren Lebensabend in der Türkei zu genießen. Der Glaube, dass alles in der Heimat nur besser
sein kann oder auch besser sein muss, trieb sie zurück in die neu geschaffenen Ghettos am Rand der Großstädte. Dort ist das Leben inzwischen längst weitergegangen, auch ohne sie.

Aysun Bademsoy
Aysun Bademsoy wurde 1960 in Mersin geboren und zog mit neun Jahren nach Berlin, wo sie bis heute lebt. Erste Begegnungen beim Film machte sie als Schauspielerin, nahm aber gleichzeitig ein Studium der Theaterwissenschaft und Publizistik an der Freien Universität auf. Sie umgab sich mit DFFB-Studierenden und übernahm Schnitt- oder Regieassistenzen. Für ihren ersten Dokumentarfilm arbeitete sie mit Jugendlichen, deren migrantische Perspektive einen Blickwechsel auf gesellschaftliche Verhältnisse der BRD werfen sollte. Unterschiedliche Lebensrealitäten in Berlin tauchen immer wieder in ihren beobachtenden Dokumentarfilmen auf, aber auch der Gegenschuss auf Menschen in der Türkei, die Deutschland wieder verlassen haben. Ihre Filme liefen auf zahlreichen internationalen Festivals. Seit 2024 kümmert sich die Deutsche Kinemathek um die Sicherung und somit die digitale Restaurierung ihres Werkes.
Filme von Aysun Bademsoy (Auswahl)
Spuren – Die Opfer des NSU 2019 |Zyklop 2016 | Ehre 2011 | Am Rand der Städte 2005 | Ich gehe jetzt rein 2008 | Die Hochzeitsfabrik 2005 | Deutsche Polizisten 1999 | Nach dem Spiel 1997 | Ein Mädchen im Ring 1996 | Mädchen am Ball 1995 | Fremde Kinder 1994 | Detektei Furkan 1990 | Fremde deutsche Nachbarschaft 1989