Passing Drama
Angela Melitopoulos
In ihrem vielfach ausgezeichneten Videoessay Passing Drama widmet sich Angela Melitopoulos einem kollektiven Gedächtnisprozess: der Fluchterfahrung einer griechischen Minderheit, die aus politischen Gründen in den 20er Jahren aus der Türkei deportiert wurde. Melitopoulos verwebt die Stimmen der Geflüchteten mit immer neu verkettetem Bildmaterial zu einem Hörbild, das ihrer eigenen Familiengeschichte ebenso nachspürt wie dem Massenphänomen von Migrationsbewegungen nach dem Ersten Weltkrieg.
»Die Flucht als Motiv der Erzählung wird in Passing Drama zu einem filmischen Thema über Erzählung und Gedächtnis selbst. Historie erscheint als eine Maschinerie, die für das Wohl einer unsichtbaren Mehrheit Minderheiten verschlingt. Drama wird zur Bühne des Vergessens, allerdings eines Vergessens, das nicht aufgehört hat, zu bewegen. Drama ist auch der Name der nordgriechischen Stadt, in deren Umgebung sich nach 1923 viele Flüchtlinge aus Kleinasien, unter ihnen auch meine Großeltern, niederließen, nachdem sie das Trauma und die Deportationen der Kleinasiatischen Katastrophe überlebt hatten. Diese Flucht endete für viele nicht in Drama: Tausende dieser Flüchtlinge kamen in der ersten oder zweiten Generation als Zwangsarbeiter nach Österreich und später ein zweites Mal als Gastarbeiter nach Deutschland. […] Diese Gastarbeiter konnten nicht nur von Armut und Bürgerkrieg erzählen, sondern auch von der Konsequenz ihres Widerstands, vom Partisanenkrieg, von Arbeitslagern, der Zwangsarbeit, und von einem Genozid, den man Vertreibung nennt, weil die Beweismittel dieses organisierten Verbrechens noch heute fehlen.«
– Angela Melitopoulos
Preise für ›Passing Drama‹
Award of the Council of Europe – Video Art Festival Locarno 2000 | Award of the German Film Critics for Experimental Video 1999 | 1st Prize for Long Feature Video Art Festival Medi@terra Athens 1999
Angela Melitopoulos
Angela Melitopoulos realisiert seit 1985 experimentelle Videoessays, Installationen, Dokumentarfilme und Hörstücke. Den Fokus ihrer Arbeit bilden die Themen Mnemopolitik, Zeit, Geografie und kollektives Gedächtnis sowie ihr Verhältnis zu elektronischen/digitalen Medien und Dokumentation. In ihren Rechercheprojekten arbeitet sie mit aktivistischen Gruppen und geopolitischen Forschungsprojekten zusammen. Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet sie mit dem Soziologen und Philosophen Maurizio Lazzarato.
Melitopoulos studierte Bildende Kunst bei Nam June Paik an der Kunstakademie in Düsseldorf und promovierte am Department of Visual Cultures der Goldsmiths Universität London. Sie ist Professorin an der Media School der Royal Danish Academy of Fine Arts in Kopenhagen. Ihr letztes Projekt Crossings wurde auf der documenta 14 ausgestellt.
Filme von Angela Melitopoulos
Crossings 2017 | Unearthing Disaster II 2015 | Unearthing Disaster I 2013 | The Life of Particles 2012 | Assemblages 2010 | The Language of Things 2007 | Corridor X 2006 | Kriks Kriks 1994 | Transfer 1991 | Above and Below Ground 1985