»Er war glücklich auf seiner Insel Ithaka. Seine Sandalen kannten jeden Weg. Er konnte mit geschlossenen Augen umhergehen. Odysseus empfand grenzenlose Liebe für seine Heimat.«
Aus Homers Odyssee, zitiert von Nicolas in Loin de vous j’ai grandi

»Reise gut dein Leben lang«, wird dem kleinen Nicolas bei seiner Taufe mit auf den Weg gegeben. Kurze Zeit später beginnt seine erste Reise – in ein Kinderheim. 13 Jahre später spaziert er mit seinem Freund Saef durch die Wälder rund um Schirmeck im Elsass, baut Verstecke und liest aus Homers Odyssee vor. Irrfahrten und der Wunsch nach Heimkehr verbinden beide Teenager mit dem griechischen Epos. Saef ist alleine mit dem Boot aus Tunesien geflüchtet. Nicolas hat sein bisheriges Leben getrennt von seiner Familie im Heim verbracht. Kurze Besuche bei seiner Mutter Sabrina, seinen Schwestern und seinem Stiefvater zeichnen ein liebevolles Miteinander in prekären Verhältnissen. Als Nicolas zu seiner Mutter zurückkehren kann, hadert er. Heimkehren und Weglaufen scheinen in seiner Familie unabdingbar miteinander verbunden zu sein.

Linklaters Boyhood trifft auf griechische Mythologie in dieser Langzeitdokumentation über eine jenische Familie aus Ostfrankreich, deren Lebensweg über Generationen von Heimatlosigkeit und Flucht bestimmt ist. »Ich bin nicht der erste Loser aus Schirmeck in meiner Familie«, sagt Nicolas im Hinblick auf seine Vorfahren. Doch wie befreit man sich aus einer Familiennarration des Scheiterns? Ohne sich jemals einzumischen, macht Marie Dumora die sozio-ökonomische Realität der Jenischen sichtbar, die in keinem EU-Staat als nationale Minderheit anerkannt sind. Als selbstverständlicher Teil der Familie stellt ihre Kamera die Folgen von Armut und Ausgrenzung dar, aber niemals aus.