Das melancholische Mädchen
Susanne Heinrich
»Wie bin ich all das geworden, was ich nie werden wollte?«
– Das melancholische Mädchen
Eine junge Frau driftet auf der Suche nach einem Schlafplatz durch die Großstadt und begegnet dabei allerlei kuriosen Vertreter*innen unserer neoliberalen Wahnsinnswelt. Junge Mütter, die ihre neue Rolle als quasi-religiöses Erweckungserlebnis feiern, spirituelle Selbsterfahrungsgruppen, die die Auflösung jeglicher körperlicher und geistiger Grenzen feiern, Existentialisten, die nicht mit ihr schlafen wollen, und jede Menge anderer Männer, die unbedingt mit ihr schlafen wollen.
Stellvertretend für all die orientierungslosen Thirtysomethings, die auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt in Traurigkeit versinken und einen Ausweg lediglich in Fortpflanzung oder Selbsthilfekursen erkennen, erscheint das melancholische Mädchen als Symptomträger*in und Kämpfer*in zugleich. Zwischen Zynismus und Aufbegehren oszilliert ihre Haltung, mit der sie dem neuen Biedermeier ebenso begegnet wie der Diktatur der Selbstverwirklichung. In pastellig-poppigen Settings und Szenenbildern angesiedelt, entsteht zwischen der rosa-türkisen Ausstattung, den emotional erkalteten philosophischen Dialogen und der häufigen Nacktheit der Darsteller*innen eine interessante Diskrepanz, vergleichbar mit Werken von Filmemacher*innen des neuen griechischen Kinos wie Yorgos Lanthimos und Athina Rachel Tsangari. Als Alternative zum grassierenden Authentizitätskult bietet Das melancholische Mädchen jede Menge Künstlichkeit und Humor als Kampfmittel, um wieder in Aktion treten zu können. (MS)
In Kooperation mit der Gleichstellung der Kunsthochschule für Medien Köln
Filmreihe Kaleidoskörper
Preise für ›Das melancholische Mädchen‹
Max-Ophüls-Preis, Preis der ökumenischen Jury – Filmfestival Max-Ophüls-Preis 2019
Susanne Heinrich
Die Pfarrerstochter aus Ostdeutschland hat im Alter von 19 bis 25 vier Bücher geschrieben, trat u. a. beim Bachmannpreis in Klagenfurt auf und hatte Aufenthalte in der Villa Aurora L.A. und der Casa Baldi Olevano Romano. Derzeit studiert sie Regie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Das melancholische Mädchen ist ihr erster Film. Mit diesem gewann sie beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2019 den Preis für den Besten Spielfilm.