Chevalier
Athina Rachel Tsangari
Sechs wohlhabende Männer durchkreuzen mit ihrer Luxusjacht das Ägäische Meer. Um eine technische Panne in einem Hafen zu überbrücken, spielen sie ein Spiel. Der Einsatz: Jedes Verhalten ist der Bewertung der Gruppe ausgesetzt, sei es noch so banal. Der Gewinn: Als »der Beste in allem« mit einem Siegelring – dem Chevalier – von Bord zu gehen.
Die gegenseitige Dauerbeobachtung entwickelt sich zu einer Art absurdem Theater. Anfänglich putzen, singen oder tauchen die Männer gegeneinander an, vergeben Punkte für die Eleganz ihrer Schlafpositionen oder die Qualität ihrer Kochkünste, schließlich beurteilen sie ihre Telefonate mit den Partnerinnen oder die Größe ihrer Geschlechtsorgane. Die Männer stellen ein weites Spektrum von Gefühlen und Aktionen zur Schau, wobei jede Minimalaktion willkürlich Teil des Wettbewerbs wird, dessen Irrwitzigkeit immer offensichtlicher zutage tritt. Das Gefühl von Exzellenz und Stärke wechselt sich ab mit Beschämung und Verletzung. Dabei denkt keiner daran, von Bord zu gehen, ehe er nicht zum Gewinner gekrönt wurde.
In ihrer originellen Versuchsanordnung bietet Athina Rachel Tsangari nach Attenberg, ihrem gefeierten Debüt von 2010, nun einen Blick auf männliche Rituale. Den männlichen Blick des Kinos lenkt sie gewissermaßen um: So wie sich die Männer fortwährend gegenseitig beobachten, tut dies auch Tsangaris Kamera. Ihre Untersuchung von Herrschaft und Unterdrückung wirft einen sarkastischen Blick auf Gewinnmentalität und Selbstoptimierung. Chevalier funktioniert als Allegorie auf die gesellschaftliche Situation Griechenlands ebenso wie als Kommentar zum schleichenden Verlust von Privatheit.
Das Buch zum Film entstand in Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Efthimis Filippou, der sich auch für das Buch von Lobster und Dogtooth mitverantwortlich zeigt und wie Tsangari Teil der neuen Griechischen Welle ist.
In Kooperation mit Filmpalette
Athina Rachel Tsangari
Nach einem Studium der Literatur in Thessaloniki, der Darstellenden Künste in New York sowie der Filmregie in Austin, Texas, begann Tsangari ihre Karriere mit einer Rolle in Richard Linklaters Film Slacker. Sie war 1997 Mitbegründerin und bis 2007 künstlerische Leiterin des Cinematexas International Short Film Festivals in Austin. 2004 gestaltete sie die Projektionen für die Eröffnungs- und Schlusszeremonien der Olympischen Spiele in Athen und 2009 führte sie Regie bei Reflections, einer großmaßstäblichen und ortsbezogenen Projektion anlässlich der Eröffnung des neuen Akropolis Museums in Athen. Mit Attenberg gewann sie 2011 den Spielfilmwettbewerb des IFFF Dortmund+Köln.
Filme von Athina Rachel Tsangari
Attenberg 2010 | Antikatoptrismoi (Reflections) 2009 | Instant Instants 2008-2011 | 2 2007 | The Slow Business of Going 2001 | Fit 1994