Chevalier
Athina Rachel Tsangari
Sechs wohlhabende Männer durchkreuzen mit ihrer Luxusjacht das Ägäische Meer. Um eine technische Panne in einem Hafen zu überbrücken, spielen sie ein Spiel. Der Einsatz: Jedes Verhalten ist der Bewertung der Gruppe ausgesetzt, sei es noch so banal. Der Gewinn: Als »der Beste in allem« mit einem Siegelring – dem Chevalier – von Bord zu gehen.
Die gegenseitige Dauerbeobachtung entwickelt sich zu einer Art absurdem Theater. Anfänglich putzen, singen oder tauchen die Männer gegeneinander an, vergeben Punkte für die Eleganz ihrer Schlafpositionen oder die Qualität ihrer Kochkünste, schließlich beurteilen sie ihre Telefonate mit den Partnerinnen oder die Größe ihrer Geschlechtsorgane. Die Männer stellen ein weites Spektrum von Gefühlen und Aktionen zur Schau, wobei jede Minimalaktion willkürlich Teil des Wettbewerbs wird, dessen Irrwitzigkeit immer offensichtlicher zutage tritt. Das Gefühl von Exzellenz und Stärke wechselt sich ab mit Beschämung und Verletzung. Dabei denkt keiner daran, von Bord zu gehen, ehe er nicht zum Gewinner gekrönt wurde.
In ihrer originellen Versuchsanordnung bietet Athina Rachel Tsangari nach Attenberg, ihrem gefeierten Debüt von 2010, nun einen Blick auf männliche Rituale. Den männlichen Blick des Kinos lenkt sie gewissermaßen um: So wie sich die Männer fortwährend gegenseitig beobachten, tut dies auch Tsangaris Kamera. Ihre Untersuchung von Herrschaft und Unterdrückung wirft einen sarkastischen Blick auf Gewinnmentalität und Selbstoptimierung. Chevalier funktioniert als Allegorie auf die gesellschaftliche Situation Griechenlands ebenso wie als Kommentar zum schleichenden Verlust von Privatheit.
Das Buch zum Film entstand in Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Efthimis Filippou, der sich auch für das Buch von Lobster und Dogtooth mitverantwortlich zeigt und wie Tsangari Teil der neuen Griechischen Welle ist.
In Kooperation mit Filmpalette

Athina Rachel Tsangari
Die Autorenfilmerin Athina Rachel Tsangari ist eine zentrale Figur des neuen griechischen Films. Sie hat in Thessaloniki, New York und Austin Darstellende Kunst und Filmregie studiert. Ihr Spielfilmdebüt The Slow Business of Going ist in der ständigen Ausstellung des MoMA zu sehen. Sie war Regisseurin der Videos zur Eröffnung der Olympiade 2004 in Athen und führende Regisseurin bei der BBC2/HBO-Max-Serie Trigonometry. Sie produzierte Filme wie Richard Linklaters Before Midnight oder Yorgos Lanthimos’ Dogtooth. Letzterer war Produzent ihres gefeierten Spielfilms Attenberg, Gewinner des Spielfilmpreises 2010 in Dortmund. Tsangari hat in Harvard, Austin und Le Fresnoy Film unterrichtet. Sie ist zum dritten Mal im Dortmunder Wettbewerb vertreten.
Filme von Athina Rachel Tsangari
Chevalier 2015, Borgia 2014, 24 Frames per Century 2013, The Capsule 2012, Attenberg 2010, The Slow Business of Going 2001