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Fokus 2025 & 2026: »Sehen lernen und verlernen − Film dekolonisieren«

Quer durch die Filmgeschichte und über alle filmischen Längen und Formate hinweg bearbeiten wir im FOKUS virulente Diskurse. Beim Festival vom 1. – 6. April 2025 startet die Auseinandersetzung mit unseren Kolonialgeschichten und deren Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein.

Welche Bilder erzählen über Verbrechen des Kolonialismus und die damit verflochtenen rassistischen Strukturen, ohne sie zu reproduzieren? Können filmische Perspektiven eine Störpraxis sein auf dem Weg zu einer klärenden Diskussion über das koloniale Erbe? Wir zeigen und diskutieren empowernde Arbeiten aus 120 Jahren Filmgeschichte vom frühen Stummfilm bis zu aktuellen Produktionen. Und schmieden Allianzen mit transnationalen Akteur*innen. Sie dekonstruieren Bilder und Töne und dekolonisieren den weißen Blick im Kino.

Auf dem Programm stehen Filme von Mojisola Adebayo, Milisuthando Bongela, Sylvaine Dampierre, Julie Dash, Terry Francis, Onyeka Igwe, Eva Knopf, Rosine Mbakam, Sarah Maldoror, Marny Garcia Mommertz, Rebecca Pokua Korang u.a. Die Filme bieten unter anderem Begegnungen mit Josephine Baker, Minnie Devereaux, Fasia Jansen oder Majub bin Adam Mohamed Hussein.

Viele der Filme beschreiben Identitätssuchen. Wie etwa die Auseinandersetzung mit der wenig bekannten Republik Transkei in dem Dokumentarfilm Militsuthando von Milisuthando Bongela. Die Transkei wurde formal 1976 als erstes Homeland für Schwarze in die volle Unabhängigkeit von Südafrika entlassen. Oder die Namensforschung von Sylvaine Dampierre im Dokumentarfilm Pays a l’envers. Sarah Maldorors Sambizanga aus dem Jahr 1972 ist der erste afrikanische Spielfilm einer Schwarzen Frau und ergänzt männlich dominierte Erzählungen über afrikanische Befreiungskämpfe um eine dezidiert weibliche Perspektive.

Eine ebensolche Wegbereiterin ist Julie Dash, die als erste Afroamerikanerin einen Spielfilm mit großem Filmstart in den US-Kinos hatte. Julie Dash ist Gast des Festivals und wird ihren Film Illusions (1983) persönlich präsentieren. Er wurde von der Library of Congress zum nationalen Kulturgut erklärt. Es ist die Geschichte einer Studioleiterin in Hollywood, die als Weiße gelesen wird und die entscheidet, die Singstimme eines weißen Hollywoodstars von einer Afroamerikanerin synchronisieren zu lassen.

Zentral ist außerdem die Auseinandersetzung mit Archiven. In mehreren Kurzfilmprogrammen loten Filmemacher*innen künstlerische Möglichkeiten aus, mit rassistischen Archivbildern aus der Kolonialzeit umzugehen. Indem sie sich mit den Abgebildeten solidarisieren, laden sie uns ein, diese Bilder zu hinterfragen.

Verschiedene Diskursformate ergänzen das Programm: Die Regisseurin Rosine Mbakam teilt in dem Workshop »A Personal Decolonization of the Gaze« ihre Erkenntnisse über die Machtstrukturen des weißen Blicks im Film. Das »Panel Koproduktionen« thematisiert die Frage, wie Koproduktionen zwischen deutschen und afrikanischen Partner*innen ausgewogen gestaltet werden können, um neue Inhalte und künstlerische Formen zu entwickeln? Die Produzentin Sophie Haikali lädt gemeinsam Khadija von Zinnenburg Carroll, Yasemin Şamdereli u.a. zum offenen Austausch mit Best Practice-Beispielen ein.

Die Installation Ich muss mit Ihnen sprechen von Kerstin Honeit zum Verhältnis von Synchronisation und Rassismus sowie der Spaziergang »Decolonize Dortmund – Entdecke Dortmunds Kolonialgeschichte!« komplettieren den FOKUS, der von Betty Schiel mit Kollaborateur*innen kuratiert wird.

Das Festival verstärkt die Programmierung des Fokus künftig, indem das jeweilige Thema über zwei Festivaleditionen bearbeitet wird. Der FOKUS: Sehen lernen und verlernen − Film dekolonisieren wird also 2026 in Köln fortgeführt. Das vollständige Programm mit allen Titeln und Terminen finden Sie ab 4. März online